Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
Vom Netzwerk:
gelegt. Noch konnte er seinen Gästen keine eindeutige Regung entlocken, doch seine Rede war ja auch noch nicht vorüber. »Wollen wir uns etwa alle der Mitwisserschaft einer Sünde schuldig machen? Ließe sich das mit Eurem Glauben an unseren Herrgott vereinen, werte Herren? Ich wage mich sogar noch weiter vor und frage ganz direkt: Dürfen wir weiterhin missachten, dass Conrad seinem Bruder selbst in Zeiten, da er womöglich nicht einmal mehr unter uns weilt, noch immer schaden will?«
    Einen Moment lang war es absolut still im Raum. Johannes wusste, dass seine vermeintliche Sorge um Ragnhilds Seelenheil den wunden Punkt in seiner Rede darstellte. Sie war bloß ein Weib – warum sollten die Herren sich dafür interessieren, was mit ihr geschah? Der Themenwechsel von ihr zu Conrads und Alberts schlechtem Verhältnis zueinander war also dringend nötig gewesen, um den Fall in eine Richtung zu lenken, die auch die Ratsherren betraf. Noch schien es allerdings fraglich, ob die Herren den Köder auch fressen würden. Johannes hielt kurzzeitig den Atem an. War er mit seiner Rede zu forsch gewesen? Hatte er seine Absichten vielleicht verraten und nun alle Aussicht auf Erfolg verspielt?
    »Nein, das sollten wir nicht!«, platzte es da aus Bertram Schele heraus. »Conrad von Holdenstede hat lange genug für seinen Bruder entschieden und ihn so seiner Würde beraubt. Es wird Zeit, dass man ihm Einhalt gebietet. Und wenn dies zusätzlich dazu führt, dass man die Dame Ragnhild vor der Sünde des Ehebruchs schützen kann, bin ich dafür.«
    Plötzlich meldete sich Hans Wulfhagen zu Wort. »Eure Forderung ist gewagt, vom Berge. Wie wollt Ihr für ihre Umsetzung sorgen?«
    »Ganz einfach«, antwortete Johannes. »Ich verlange, dass der Rat diese Reise in der nächsten Sitzung anweist und dass die Dame Ragnhild nicht verheiratet werden darf, solange der Gesandte nicht mit entsprechender Nachricht zurück ist. Doch dafür brauche ich Hilfe. Darum frage ich Euch, meine Herren, wollt Ihr mir beistehen im Kampf gegen die Sünde und die Ungerechtigkeit?«
    Nach anfänglicher Skepsis wegen der plötzlichen heißblütigen Rede fing Ecbert von Harn nun doch an, rhythmisch mit der Faust auf den Holztisch zu donnern. Er pflichtete Johannes somit bei und forderte auch seine Tischkollegen auf, sich der Sache anzuschließen. Die Stimmung erfasste drei der vier Männer wie eine Welle.
    Alle bis auf Hans Wulfhagen, der nicht sehr streitbar war und häufig sogar Konflikte ganz und gar mied, hatten sich von der Idee mitreißen lassen. Wulfhagen jedoch hegte als Einziger der Anwesenden keinen Groll gegen Conrad und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Doch die nur zaghafte Zustimmung des Kaufmanns stellte keinesfalls ein Problem dar. Ganz im Gegenteil – seine Anwesenheit erfüllte einen anderen Zweck.
    Heseke hatte ihn eingeladen, da er geschwätzig wie ein Waschweib war und mit Sicherheit nicht an sich halten würde. Der soeben geschmiedete, vermeintlich gottesfürchtige Plan würde sich wie ein Lauffeuer unter den Ratsherren verbreiten, und jeder würde noch vor der nächsten Ratssitzung wissen, wer die Urheber dieser Forderung waren. Aus Ehrfurcht würden es die wenigsten bei der nächsten Ratssitzung wagen, den mächtigen Fürsprechern dieser Idee oder gar der christlichen Notwendigkeit dieser Reise zu widersprechen.
    Heseke stand vor der Tür und lauschte zufrieden den aufgeregten Stimmen der Männer. Alles schien so zu laufen, wie sie es geplant hatte. Sie war eigentlich zu klug für ein Weib, dachte sie selbstverliebt. Sollte dieser Schachzug tatsächlich gelingen, hätte sie genug Zeit, um den nächsten Teil ihres Plans zu durchdenken und in die Tat umzusetzen. Ihr war durchaus bewusst, wie viel leichter es war, gestandene Ratsmänner zu manipulieren, im Vergleich zu dem, was sie noch tun musste, um ihr Ziel zu erreichen. Der letzte Teil ihres Plans würde ein Opfer fordern, und ihre Tat konnte sie sehr wohl das Himmelreich kosten.
    Ein Handschlag besiegelte das Gesagte der vergangenen Stunde. Alle drei Männer schienen sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlung. Es war bereits weit nach Mittag, als die beiden Ratsherren das Haus von Symon von Alevelde verließen.
    Die Niedernstraße, in der es stand, wirkte mindestens genauso wenig einladend wie das dunkle, verwohnte Haus des alternden Kaufmanns selbst. Symon von Alevelde war ein Bürger aus der oberen Mittelschicht. Vor mehr als einem Jahr hatte er seine Frau und

Weitere Kostenlose Bücher