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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Tage war vom ersten Moment an entsprechend gereizt gewesen, und so änderte sich der Ton zwischen den Männern bald.
    »Wie bitte?«, donnerte Conrad so laut, dass seine Stimme im Versammlungsraum des Rathauses widerhallte. »Ich soll jemanden nach Friesland aussenden, um die Leiche meines Bruders zu suchen? Wer ist denn auf diesen Schwachsinn gekommen? Das ist doch so gut wie unmöglich!«
    »Wollt Ihr damit etwa sagen, dass die Gebote des Herrn Schwachsinn sind?«, fragte Johannes vom Berge angriffslustig.
    Abrupt drehte sich Conrad zu seinem Schwager um. »Du? War das etwa deine Idee? Was haben die Gebote mit Albert zu tun?«
    Johannes vom Berge überhörte die allzu vertraute Anrede und erwiderte belehrend: »Mir scheint, Euch ist nicht bewusst, wie gotteslästerlich Euer Verhalten ist. Sollte Euer Bruder nämlich noch leben, wäre es eine große Sünde, sein Weib mit einem anderen Mann zu verheiraten.«
    »Albert ist tot!«, herrschte Conrad ihn mit überschlagender Stimme an. »Sein Weib ist eine Witwe, und ich bin ihr Muntwalt. Sie wird verheiratet, sobald ich mir mit ihrem zukünftigen Ehemann, Symon von Alevelde, über die Einzelheiten einig bin.«
    Johannes vom Berge überging die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit einfach. Ihm war nicht verborgen geblieben, dass Conrad bereits einen Ehemann für Alberts Weib gefunden hatte. Heseke und er hatten damit gerechnet, dass Conrad nichts unversucht lassen würde, schnell mit einen Mann handelseinig zu werden, um die lästigen Hinterbliebenen seines Bruders loszuwerden. Die Dringlichkeit ihres Plans war somit noch mehr gewachsen. Gott sei Dank hatte Johannes gestern, wie durch ein Wunder, einen Trumpf zugespielt bekommen, den er sogleich einsetzen würde. Er zitterte bereits vor Aufregung und konnte es kaum erwarten, Conrads Gesicht zu sehen, wenn er verkündete, was ihm unerwarteterweise gestern widerfahren war.
    »Woher wollt Ihr wissen, ob Euer Bruder tot ist? Nur der Herrgott selbst kann dies mit Gewissheit sagen. Maßt Ihr Euch etwa an, die Wege des Herrn zu kennen?«
    Conrad atmete tief durch, bevor er antwortete. Die Diskussion entwickelte sich zu einer theologischen Fragestellung, und das musste er unbedingt verhindern. Er wusste, dass er einem solchen Disput nicht standhalten würde, und durfte sich darum nicht provozieren lassen. Bemüht um einen ruhigen Ton, sagte er: »Mein Bruder ist tot. Sein Schiff ist gesunken, das ist eindeutig bewiesen. Das Wasser der Nordsee war zu diesem Zeitpunkt mit Eisschollen bedeckt. Jedermann wäre binnen weniger Augenblicke entweder ertrunken oder erfroren. Es wurden Leichen gefunden; wenn auch nicht eindeutig die von Albert selbst. Doch all dies lässt den Schluss zu, dass niemand dieses Unglück überlebt hat.«
    Sichtlich zufrieden mit dieser Argumentation, schaute Conrad seinem Schwager herausfordernd in die Augen. Doch statt sich mit dieser Antwort geschlagen zu geben, legte sein Gegenüber einen spöttischen Gesichtsausdruck auf.
    »Genau in dieser Annahme, lieber Schwager, liegt Euer Fehler.« Johannes drehte sich zur Tür und befahl dem dünnen Ratsboten in der Ecke mit lauter Stimme: »Bringt ihn herein.« Dieser gehorchte sofort und ging hinaus.
    Niemand sprach ein Wort, und alle starrten gebannt zur Tür. Außer Johannes vom Berge wusste niemand im Raum, was nun geschehen würde.
    Nach ungefähr drei Atemzügen trat der Ratsbote in Begleitung des Wartenden wieder ein. Conrad traute seinen Augen nicht. Hinter dem schmächtigen Gehilfen stand der Smutje der Resens , Heyno!
    Im Saal schwoll blitzschnell das Gemurmel von über dreißig Männerstimmen an. Johannes drehte sich zu Conrad um und lächelte ihn zufrieden, aber wortlos an.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte der Bürgermeister aufgebracht. Mit hektischen Handbewegungen verlangte er Aufmerksamkeit. »Ruhe, meine Herren, ich bitte um Ruhe.« Es dauerte einen Moment, bis die Unruhe sich gelegt hatte und Bertram Esich wieder Herr der Lage war. Er drehte sich zu Conrads Schwager um und forderte ihn verblüfft auf: »Könnt Ihr mir das erklären?«
    Der Angesprochene stand auf und machte eine angedeutete Verbeugung vor dem Bürgermeister. »Bitte entschuldigt, dass ich Euch nicht schon früher informiert habe, Bürgermeister. Dies ist der Smutje der gesunkenen Resens . Fahrende Händler haben ihn auf dem Landweg von Rüstringen nach Hamburg aufgelesen und am Hafen abgesetzt. Zwei meiner Männer, die dort beschäftigt waren, haben ihn dann zu mir

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