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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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und wischte sich den fetttriefenden Bart mit dem Ärmel ab.
    »Ihr schmeichelt mir zu sehr«, gab sie scheinbar beschämt zurück und lächelte gewinnend in seine Richtung. Ihrer liebreizenden Miene zum Trotz fügte sie aber in Gedanken hinzu, dass er sehr wahrscheinlich auch noch liebend gern ihre Bettleinen verspeist hätte, wenn ihm nur ausreichend Wein dazu gereicht worden wäre.
    Als hätte Johannes vom Berge ihre unhöflichen Gedanken erraten, blickte er sie streng von der Seite an.
    Heseke entging das nicht, und sie senkte rasch den Blick. Eigentlich mochte sie Hans Wulfhagen, doch sein Appetit ließ die Mägde vor jedem Mahl erzittern und trieb ihr selbst den Schweiß auf die Stirn. Für ihn musste sie fast dreimal so viel auftischen wie für jeden anderen Gast. Doch nun, da er satt zu sein schien, fühlte sie endlich Erleichterung.
    Das Sättigen ihrer Gäste war nämlich der erste Teil des Plans, den sie mit ihrem Mann nach dem erschreckenden Besuch bei Luburgis ausgeheckt hatte. Nur ein gesättigter Mann ist ein zufriedener Mann, pflegte Johannes immer zu sagen.
    Neben Hans Wulfhagen waren auch noch Ecbert von Harn und Bertram Schele zu Besuch. Es war kein Zufall, dass die beiden Feinde Conrads zugegen waren. Sie waren perfekt für Hesekes Zwecke geeignet. Einflussreich, streitlustig und vereint in ihrer Abneigung gegen Conrad.
    Mit einer angemessen züchtigen Verabschiedung bat Heseke die Männer, sie zu entschuldigen. »Meine Herren, ich hoffe, dass Ihr mir mein vorzeitiges Entfernen aus dieser edlen Runde nicht nachtragt, doch die vielen Verpflichtungen, die ein solch großer Haushalt mit sich bringt, rufen unerbittlich nach mir.« Von höflichen Worten des Abschieds begleitet, neigte sie noch ein letztes Mal würdig ihren Kopf in Richtung der Ratsherren und schritt darauf gemächlich aus dem Raum.
    Johannes schaute ihr nach und dachte noch, wie befremdlich es jedes Mal auf ihn wirkte, wenn sie sich in Gesellschaft so sittsam benahm.
    Kaum hatte sie die Tür geschlossen, verwandelte sich ihre keusche Miene in ein wissendes Grinsen. Nun war Johannes an der Reihe. Sie wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Auch wenn er niemals selbst auf diesen Plan gekommen wäre, war er in der Ausführung jedoch großartig.
    Auf ihr Geheiß vom Vortage hin hatte ihr Gemahl gerade einen geistlichen Disput mit seinen Gästen angefangen, wie er in höheren Kreisen üblich war. Wie von Zauberhand mündete dieser schlussendlich bei dem Ableben von Albert von Holdenstede. »Ich gebe zu, dass mich die Nachricht von dem Schiffsunglück tief erschüttert hat. Wie gut, dass Conradus diese Ungewissheit nicht ertragen muss – ruhe er in Frieden.«
    »Ungewissheit?«, fragte Ecbert von Harn. »Was ist Eurer Meinung nach ungewiss?«
    Johannes lehnte sich zurück und faltete die Hände vor seinem Bauch. Nun hatte er sein Gegenüber, wo er ihn haben wollte. »Ihr seht mich erstaunt, von Harn.« Langsam lehnte er sich wieder vor und legte seine gefalteten Hände auf den Tisch. »Sagt mir, mein Freund, würdet Ihr eine Rolle Tuch wegen schlechter Qualität ablehnen, bevor Ihr sie eingehend begutachtet habt?«
    Ecbert von Harn schaute skeptisch zu Johannes herüber. »Was hat diese Frage mit dem Schiffsunglück zu tun?«
    »Nun, ich frage mich, ob es rechtens ist, den Tod eines Mannes zu beschließen, bevor seine Leiche gefunden wurde.«
    Bertram Schele lachte kurz und trocken auf. »Worauf wollt Ihr hinaus, vom Berge? Ich kenne Euch gut genug, um zu wissen, dass Ihr Euch etwas erdacht habt. Sagt es uns.«
    »Ihr kennt mich in der Tat gut. Es gibt tatsächlich etwas, das nur darauf wartet, ausgesprochen zu werden.« Johannes erhob sich langsam und wählte seine leidenschaftlichen Worte mit Bedacht. »Meiner Überzeugung nach ist es die christliche Bürgerpflicht von Conrad von Holdenstede, jemanden ins Land der Friesen an die Küste Butjadingens auszusenden, um nach dem Leichnam oder dem Grab von Albert zu suchen. Würde dies nicht geschehen, so hätte Conrad nicht alles getan, um zu beweisen, dass die Dame Ragnhild wirklich eine Witwe ist. Sollte Albert von Holdenstede nämlich noch am Leben sein, und Conrad würde die Dame Ragnhild neu vermählen, was zweifellos eines Tages geschehen wird, würde er sie zu einer schändlichen Sünde zwingen – der Sünde des Ehebruchs.« Prüfend ließ er seinen Blick in die Runde schweifen. Seine Lippen wirkten schmal, weil er sie so stark aufeinanderpresste, und seine Stirn war in Falten

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