Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
auch das Neugeborene im Kindbett verloren und war seither mit der ältlichen Magd und seinem achtjährigen Sohn Jacob allein. Obwohl er nicht weniger wohlhabend als andere seines Standes war, hatte er es trotz aller Bemühungen nie geschafft, sich mit den höhergestellten Familien der Stadt gesellschaftlich zu verflechten. Der Vorschlag des heutigen Tages hatte sich für ihn daher angehört wie der Gesang der Engel selbst. Ohne langes Zögern war er auf alle gestellten Forderungen eingegangen, um nur endlich das zu bekommen, was er so sehr begehrte – die Verbindung zu einer angesehenen Ratsfamilie!
Dass er bloß eine verschwindend geringe Mitgift erhielt und noch drei Kinder dazu, war für ihn akzeptabel. Zum Glück waren es wenigstens zwei Jungen und nur ein Mädchen. Sicher würde er auch noch eigene Kinder bekommen, denn die Bälger ließen ja darauf schließen, dass seine Zukünftige noch fruchtbar war.
Es schien ihm wie der Anfang eines neuen Lebens. Endlich würde er es in die höheren Kreise schaffen, dessen war er sich nun sicher. In ein paar Jahren wären alle drei Kinder und auch sein eigener Sohn alt genug, um wiederum verheiratet zu werden, und er malte sich jetzt schon aus, welche der edlen Familien dann wohl für ihn infrage kämen.
Viel zu sehr mit diesen Gedanken beschäftigt, hatte er während der Verhandlungen fast vergessen, nach dem Weib selbst zu fragen.
Man versicherte ihm, sie sei noch einigermaßen jung, von angenehmer Erscheinung und fügsamen Gemüts. Wenn dies alles so stimmte, konnte er sich glücklich schätzen.
Eine Frau konnte er in seinem Haushalt wirklich dringend gebrauchen, dachte er noch, während er sich umschaute. Bestimmt würde sich dann auch das Durcheinander wieder legen, dem die Magd allein nicht Herr zu werden schien. Auch er selbst würde gewiss wieder an Form gewinnen, sinnierte er mit einem schelmischen Grinsen. Die rosigen Schenkel einer jungen Frau würden diesen Bauch zweifellos zum Schmelzen bringen. In seiner Mitte steckte noch die Kraft eines Hengstes, und er lechzte geradezu danach, dies seinem baldigen Weibe jede Nacht aufs Neue zu beweisen. Gedankenverloren strich er sich mit seinen schmutzigen Händen über den aufgeblähten Wanst.
Während er sich noch sagte, dass er zur Feier des Tages die Arbeit für heute ruhen lassen wollte, trugen ihn seine Füße wie von selbst in seine Kammer, wo er sich auf seine stinkende Bettstatt fallen ließ, um den Druck in seinen Lenden abzubauen, der sich bei dem Gedanken an seine Braut angestaut hatte.
Der Magen des Bürgermeisters knurrte so laut, dass er meinte, sein Weib daheim müsse es noch hören können. Leider war ihm schon gleich nach Beginn der heutigen Ratssitzung klar geworden, dass er wohl noch lange hungrig bleiben würde.
Kaum hatte er den Saal betreten, wurde er mit der vollkommen überraschenden Forderung der Ratsmänner konfrontiert, einen Boten nach Friesland zu senden, um Alberts Tod zu bestätigen. Alle redeten wild durcheinander, und Bertram Esich brauchte einen Augenblick, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen; doch seine Erfahrung als Bürgermeister kam ihm dabei zugute.
Eines begriff er ziemlich schnell; zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät, um die Meinungen der fordernden Ratsmänner noch maßgeblich zu beeinflussen. Wie eine Wand hielten sie im Streitgespräch starr gegen die wenigen Gegner ihrer Forderung. Ganz offensichtlich waren sie nicht erst in den letzten Minuten zu ihrer Meinung gekommen. Die ausgefeilten Argumente und die selbstbewusste Körperhaltung der Männer verrieten es. Die gegnerische Seite war hingegen völlig überrumpelt und hatte unverkennbar den schlechteren Stand.
Bertram Esich ging davon aus, dass es in der jüngsten Vergangenheit schon den einen oder anderen meinungsbildenden Disput in den Häusern der Ratsherren zu diesem Thema gegeben hatte. Auch wenn diese Art der Beeinflussung von Ratsmitgliedern nicht erwünscht war, so wäre es gewiss nicht zum ersten Mal vorgekommen. Es wurde erwartet, dass die Ratsmitglieder stets neutral an jede neue Entscheidung herantreten sollten, doch in Wahrheit gab es immer wieder dieselben Gruppen von Männern, die eine Meinung vertraten. Diese Gruppen waren nicht selten miteinander befreundet und trafen sich vielfach in ihren Häusern, um sich vorher abzustimmen. Sosehr Bertram Esich dies auch missbilligte, er konnte es nicht verhindern.
Noch ging es im Saal einigermaßen gesittet zu, doch die Stimmung an diesem
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