Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
der Kahlköpfige mit einem Eimer auf mich zu und kippte mir Wasser über den Kopf. Ich ächzte und schüttelte mein Haar wie ein Hund das nasse Fell.
»Was weißt du über die Wiedertäufer?«, wollte Clunsevoet wissen.
Ich schaute ihn nur verdutzt an, ohne dass ich recht verstand, was er von mir wollte.
»Die Wiedertäufer?«, fragte ich deshalb.
»Stell dich nicht dumm. Du wirst davon gehört haben, dass sich die Anabaptisten in Münster verschanzt haben.«
Nun endlich wurde mir klar, wovon Clunsevoet sprach. Vorsichtig sagte ich: »Ich hörte, man solle sich besser von Münster fernhalten, weil sich die Stadt in der Gewalt einer Handvoll Wirrköpfe befindet.«
»Die Zahl dieser Wirrköpfe, wie du sie nennst, gehtin die Tausende«, sagte Clunsevoet. »Und sie sind gefährlich. Was weißt du noch über sie?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht viel. Nur das, was wir auf den Straßen aufgeschnappt haben. Die Täufer sind Sektierer, die gleichsam Katholiken und Lutheraner verachten, die Kindstaufe ablehnen und eine strenge Moral predigen. Worin diese Lehre besteht, ist mir allerdings nicht geläufig.«
Clunsevoet zog ein Messer hervor, befreite mich von meinen Fesseln und half mir auf die Füße. »Die Wiedertäufer sind besessen von dem Gedanken, dass das Ende der Welt bevorsteht«, sagte er. »Sie akzeptieren nur Gott als Obrigkeit, sehen die Worte der Bibel als einziges Gesetz und lassen sich von düsteren Offenbarungen leiten. Zudem halten sie sich für die alleinige gottgewollte Gemeinde Christi. Verblendete Propheten predigen ihren Anhängern, dass sie sich im Neuen Jerusalem – also in Münster – versammeln sollen, um hier das Strafgericht Gottes über die Ungläubigen zu überstehen. Doch das Gegenteil wird der Fall sein, denn Bischof Franz von Waldeck hat ein Heer von mehreren tausend Mann vor die Tore Münsters geführt und belagert die Stadt, um diesem Aufruhr ein Ende zu setzen. Wenn Münster fällt und die Landsknechte die Stadt stürmen, werden die Täufer in ihrem eigenen Blut ersaufen.«
»Und jeder einzelne dieser Bastarde hat den Todverdient!«, rief ich aus und ballte die Hand zur Faust, weil mir nicht verborgen geblieben war, welche Abneigung Everhard Clunsevoet diesen Sektierern entgegenbrachte. Da konnte es nicht schaden, sich bei ihm eine gute Seite zu halten.
»Jeder Einzelne?«, fragte Clunsevoet.
»Alle!«, gab ich ihm euphorisch zu verstehen. »Jeder Mann und jedes Weib. Sie sollen zur Hölle fahren.«
Clunsevoets Kopf lief rot an, und an seiner Stirn schwoll eine Ader, als er mich am Kragen packte und mir entgegenfauchte: »Hüte deine Zunge, du Tölpel! Meine eigene Tochter hält sich unter den Täufern in Münster auf, und solltest du mein gutes Mädchen jemals wieder als Bastard bezeichnen und ihr den Tod wünschen, wirst du es bereuen, dass wir dich nicht in dieser Grube ersäuft haben.«
Ich schluckte und nickte. Hinter mir hörte ich, wie Jasmin vernehmbar stöhnte. Sie befürchtete wohl, dass ich uns alle mit meiner unbedachten Äußerung ins Unglück stürzte.
Clunsevoet beruhigte sich und sprach weiter. »Meine Tochter Amalia befand sich in der Obhut der Benediktinerinnen des Klosters St. Aegidii in Münster, weil sie ein Kind reinen Herzens ist und sich der Gnade des Herrn unterordnen sollte. Als die falschen Propheten nach Münster kamen und mit ihren Predigtendie Köpfe der Menschen vergifteten, ließ auch Amalia sich blenden, und nun lebt sie dort unter den Häretikern.«
»Das ist … bedauerlich«, sagte ich vorsichtig.
»Es ist eine große Dummheit«, meinte Clunsevoet. »Wenn Münster von den Belagerern gestürmt wird und den Plünderungen der Soldaten ausgesetzt sein sollte, wird Amalias Leben in großer Gefahr sein. Wenn sie den Landsknechten in die Hände fällt, werden die sie womöglich vergewaltigen oder erschlagen. Aber dazu wird es nicht kommen, und du wirst dafür Sorge tragen.« Er richtete einen Finger auf mich.
»Werde ich?« Ich stutzte.
»Du und deine Gefährten werdet meine Tochter wohlbehalten zu mir zurückbringen.«
Ich zögerte. Dann erwiderte ich: »Wie soll das gelingen? Münster wird belagert und hat sich gewiss verschanzt. Niemand kann die Stadt betreten.«
»Lass dir etwas einfallen. So wie bei deinen vorherigen Raubzügen. Wenn du dich aber weigerst oder versagst …« Er fuhr sich mit der Handkante unter dem Kinn entlang und machte mir damit unmissverständlich die Konsequenzen klar.
Seufzend rieb ich meine Stirn.
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