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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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»Selbst wenn es uns gelänge, die Mauern der Stadt zu überwinden – wie sollten wir unter den Tausenden dieser verirrten Seelen Eure Tochter erkennen?«
    Clunsevoet deutete auf den Hünen, der mit verschränkten Armen unser Gespräch verfolgte. »Cort wird euch begleiten. Er kennt Amalia und kann euch helfen, sie aufzuspüren. Außerdem wird er darauf achtgeben, dass ihr nicht das Weite sucht.«
    »Aber selbst wenn wir Amalia finden – wie soll ich Eure Tochter aus der belagerten Stadt schaffen? Alle Tore werden verschlossen sein. Es wäre unmöglich, Münster wieder zu verlassen.«
    »Dann mach es möglich«, knurrte Clunsevoet. »Wenn du dich weigerst, nach Münster zu gehen, lasse ich dich und deine beiden Begleiter in der Senkgrube ersaufen. Deine Tochter werde ich verschonen. Vielleicht überlasse ich sie für eine entsprechende Entlohung einem wohlhabenden Mann, der die Gesellschaft junger Mädchen zu schätzen weiß und den es reizt, einen widerspenstigen Wildfang zu zähmen. Oder ich verkaufe sie gleich an ein Hurenhaus.«
    Wieder einmal zeigte sich Mieke unbeeindruckt und schnitt nur eine Grimasse.
    »Du hast die Wahl, Emanuel«, sagte Clunsevoet achselzuckend.
    »Anscheinend habe ich die nicht«, erwiderte ich. Einen Moment lang zögerte ich noch, dann sagte ich: »Wir werden Eure Tochter den Täufern entreißen.«
    Clunsevoet klopfte mir auf die Schultern. »Das sind die Worte, die ich hören will.«
    »Wann sollen wir aufbrechen?«, fragte ich.
    »Erst morgen«, entgegnete Clunsevoet. »Die Dunkelheit bricht bereits in zwei Stunden herein. Darum werdet ihr hier die Nacht verbringen.«
    Man führte uns zurück in das Haus und drängte uns in eine Kammer. Einer der Schergen brachte uns Decken, einen Krug Wasser und einen Eimer für die Notdurft. Dann zog er sich zurück, und wir hörten einen Schlüssel klappern. Jasmin prüfte die Tür. Sie war verschlossen.
    Ich zog mein nasses Hemd aus und trocknete mich mit einer der Decken ab. Jasmin trat an mir vorbei. Ich fasste ihre Hand und sagte: »Mir kam es so vor, als ob du in Sorge um mich warst, als dieser Riese mich in der Grube ersaufen wollte.«
    »Bilde dir nichts darauf ein«, entgegnete sie gereizt. »Ich hatte nur Angst, dass mir das Gleiche bevorstehen würde. Was mit dir geschieht, kümmert mich nicht mehr.«
    »Du lügst«, sagte ich mit einem Lächeln und wollte ihre Wange berühren, doch sie stieß meine Hand fort.
    »Mit Lügen kennst du dich besser aus als ich«, zischte Jasmin und machte einen Schritt zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen.
    »Könnt ihr das nicht später klären? Uns plagen weiß Gott andere Sorgen.« Reynold griff nach demEimer, stellte sich in eine Ecke und wandte uns den Rücken zu. Während er sein Wasser abschlug, jammerte er: »Bei allen Heiligen, in was für eine Lage sind wir da geraten? Ausgerechnet wir sollen uns unter die Täufer begeben.«
    »Es wäre ein Irrsinn, Münster zu betreten«, meinte Jasmin. »Dort erwarten uns zu viele Gefahren. Es ist eine Sache, ein Kloster oder einen Wirtschaftshof zu bestehlen, aber etwas völlig anderes, sich in eine Stadt zu schleichen, in der religiöse Sektierer nur darauf lauern, Spione einen Kopf kürzer zu machen. Das ist, als würde man eine Katze in eine Grube mit geifernden Hunden werfen.«
    Selbst Mieke schienen diese Sorgen zu bedrücken. Sie hockte sich zu mir und klammerte sich an mich. »Werde ich verkauft?«, wollte sie wissen.
    »Unsinn«, behauptete ich. »Weder wird man dich von uns trennen, noch habe ich vor, mich unter diese Sektierer zu mischen, nur weil ich es Clunsevoet versprochen habe.«
    »Also ziehen wir unserer eigenen Wege«, raunte Reynold. Auch Jasmin schaute mich erwartungsvoll an.
    »Gewiss«, versicherte ich ihnen. »Ich denke nicht daran, auch nur einen Fuß in das Tollhaus Münster zu setzen.«

KAPITEL 5
    Wir verbrachten den Rest des Abends weitgehend schweigend. Natürlich grämten wir uns, dass wir in diese verzwickte Lage geraten waren. Hungrig und übellaunig fand ich in der Nacht erst spät in den Schlaf. Das mochte der dünnen Decke geschuldet sein, unter der ich den harten Steinboden in dieser Kammer deutlich spürte, aber weit mehr wohl der Sorge, dass wir der Willkür Everhard Clunsevoets ausgesetzt waren.
    Am Morgen wurden wir von einem lauten Klopfen an der Tür geweckt. Müde und zerschlagen richteten wir uns auf und gähnten herzhaft. Mieke zog ein unwirsches Gesicht. Sie drückte die Hand zwischen ihre Beine und krümmte

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