Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
dasist der Teufel und Satan, und band ihn tausend Jahre.« Der Prädikant streckte seine Hand aus und strich mit dem Daumen über meine Stirn. »Empfangt das Zeichen Tau, ihr aufrechten Israeliten«, verkündete er. »Denn Gott spricht: Nur diejenigen, die mein Zeichen tragen, sollen vor der Vernichtung verschont bleiben und errettet werden.«
Auch Jasmin, Reynold und Cort wurde diese zweifelhafte Ehre zuteil, dann wandte sich der Prediger mehreren Frauen zu, die mit Tränen in den Augen vor ihm in die Hocke gegangen waren.
Meine Neugier war geweckt, und so näherte ich mich diesem seltsamen Heiligtum aus Gerümpel und betrachtete das hier Zusammengetragene genauer. Auch wenn mir nie ein sonderlich großer religiöser Respekt innegewohnt hatte, jagte mir der Anblick der zertretenen Heiligentafeln, der zerstörten Altäre und anderer besudelter sakraler Gegenstände, die die Täufer auf diesem Haufen öffentlich zur Schau stellten, einen kalten Schauer über den Rücken. Sorge bereiteten mir vor allem die Männer und Frauen um mich herum, denn ihren glühenden Augen sah ich an, dass sie nicht ins Gebet versunken waren, um den Herrn um Vergebung für diesen Frevel zu bitten, sondern weil sie davon überzeugt waren, dass sie nur dann ins Paradies gelangten, wenn auf dieser Welt die alte Ordnung vollständig zerstört wurde.
Ich löste mich von dieser erschreckenden Szenerie und überquerte mit meinen Gefährten den Domplatz. Wir erreichten den Übergang zu einer breiten Hauptstraße, die von prächtigen Patrizierhäusern gesäumt wurde. Hier waren drei Podeste errichtet worden, die wahrscheinlich als erhöhte Bühnen für die Prediger genutzt wurden. Eine dieser Plattformen zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, denn auf ihr befand sich ein Holzquader, an dem eine dicke Schicht getrockneten Blutes klebte. Allem Anschein nach wurden hier die Hinrichtungen durchgeführt. Und ausgehend von der Blutlache hatten nicht wenige Münsteraner auf diesem Quader ihr Leben gelassen.
»Findest du das alles hier immer noch so alltäglich?«, fragte Jasmin an Reynold gerichtet. Der zog die Stirn kraus und antwortete: »Wir sollten uns so schnell wie möglich auf die Suche nach einem Unterschlupf machen.«
»Und wo? Willst du dich in einem Keller verkriechen?«
»Anton Kribbe«, schlug ich vor. »Wir werden zum Haus von Anton Kribbe gehen und ihn bitten, uns aufzunehmen. Melchior hat vor seinem Tod davon gesprochen, dass sein Vater den Täufern eine tiefe Abneigung entgegenbringt. Das macht uns zu Verbündeten.«
»Wollen wir nur hoffen, dass Kribbes Hass auf dieTäufer ihm nicht längst zum Verhängnis geworden ist«, sagte Cort und deutete auf den Richtplatz.
»Das werden wir bald herausfinden«, erwiderte ich. »Melchior hat gesagt, dass wir seinen Vater in einem Haus in der Neubrückenstraße finden können. Machen wir uns also auf die Suche nach ihm.«
KAPITEL 15
Es war nicht schwierig, eine Auskunft über unser Ziel zu erhalten. Eine Wäscherin beschrieb uns den Weg bis zur Kirche St. Martini, die sich an der Neubrückenstraße befand. Nach einem kurzen Fußmarsch erreichten wir das Gotteshaus und mussten nun nur noch von einem Gebäude zum anderen gehen und nach der geschnitzten Rose über dem Türbalken Ausschau halten, so wie Melchior Kribbe es mir beschrieben hatte.
Das Fachwerkhaus, das wir suchten, fanden wir am Ende der Straße. Es handelte sich um ein unscheinbares Gebäude, das einen recht ungepflegten und heruntergekommenen Eindruck machte. Zudem waren alle Fensterläden geschlossen, so dass es schien, als wäre das Haus verlassen. Ich klopfte an die Tür, doch nichts geschah.
»Anton Kribbe«, rief ich und schlug wiederholt mitder Faust gegen das Holz. »Bitte lasst uns eintreten. Wir müssen mit Euch sprechen.«
»Da ist niemand«, raunte Reynold hinter mir. »Ich habe es geahnt. Dieser Kribbe ist gewiss unter dem Schwert gelandet, oder vielleicht hat er sich auch in seinem Haus selbst entleibt, und niemanden hat das gekümmert.«
»Seid ruhig!«, mahnte Cort. Ich hielt mit meinem Klopfen inne und ließ Cort vortreten. Er drückte sein Ohr an die Tür und lauschte einen Moment lang. Dann flüsterte er mir zu: »Da war ein Geräusch. Dieser Kribbe will uns glauben machen, dass sich niemand im Haus aufhält, aber das ist nicht so.«
Mir kam eine Idee. Ich trug noch immer den Ring bei mir, den ich nach Melchior Kribbes fatalem Missgeschick von der abgetrennten Hand gezogen hatte. Nun holte ich das Kleinod
Weitere Kostenlose Bücher