Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
bezeichne?«
Jasmin schnaufte. »Du bist ein Ochse.«
»Reynold hat wohl eher die Rolle des Narren eingenommen«, mischte sich Cort ein. »Der Wald liefert selbst den Stiel zu der Axt, mit dem er umgehauen wird. Ihr solltet euch vertragen, sonst finden wir uns schon bald am Galgen oder unter dem Schwert wieder.«
Ein Brummen Jasmins und ein Nicken Reynolds besiegelten diesen brüchigen Frieden.
Wir gingen weiter und erreichten ein Kirchengebäude. Als ich dort hinaufschaute, fiel mir auf, dass man die Turmhaube abgerissen hatte. Vom Lager der Bischöflichen aus war schon aus der Entfernung zu erkennen gewesen, dass die Täufer die Dächer von den meisten Türmen entfernt hatten, um auf den freigeräumten Plattformen Kanonen aufzustellen. Von hier unten schaute ich nun genau auf ein Geschützrohr, das über den Rand dieses Turmes ragte. Ichfragte mich, ob womöglich von dieser Kanone das Geschoss abgefeuert worden war, das den bedauernswerten Melchior Kribbe in Stücke gerissen hatte.
Auf dem Platz vor der Kirche fiel mein Blick auf eine Gruppe Frauen, die von mehreren Soldaten in der Handhabung verschiedener Waffen wie Pistolen und Hakenbüchsen unterwiesen wurde. Ich hatte mit eigenen Augen verfolgt, wie verbissen die Münsteraner Frauen ihre Stadt gegen die anstürmenden Truppen verteidigt hatten, und auch die zurückweichenden Landsknechte hatten davon berichtet, dass die Frauen der Täufer wie Furien gekämpft hatten.
»Verhaltet euch unauffällig«, raunte ich und gab ein Zeichen weiterzugehen. Ich fragte mich, ob die Wachen, die von uns überrumpelt worden waren, bereits Alarm geschlagen hatten. Bislang blieb allerdings alles ruhig um uns herum.
Wir folgten der Straße. Eine Gruppe munter schwatzender Mädchen kam uns entgegen sowie einige Frauen, die Kiepen mit Stoffballen auf dem Rücken trugen.
»So viele Weiber«, meinte Reynold. »Was man sich erzählt, entspricht also der Wahrheit. Wie es scheint, kommen hier auf einen Mann vier bis fünf Frauen. Nun leuchtet es mir ein, warum es jedem der Täufer erlaubt ist, mit mehreren Weibern die Ehe zu schließen.Wie sollte man all diese Frauen sonst unter Kontrolle halten?«
»Mach dir keine Hoffnungen«, entgegnete Jasmin. »Selbst wenn es in dieser Stadt ausschließlich Frauen gäbe, so würde doch keine Einzige von ihnen einen so hässlichen Kerl wie dich in ihr Bett holen.«
»Pah!« Reynold zwinkerte ihr zu. »Du kennst meine Fertigkeiten nicht.«
»Und Gott bewahre, dass ich mich jemals davon überzeugen lasse«, erwiderte Jasmin.
Wir passierten eine Schmiede und eine Schuhmacherwerkstatt. Die Männer und Frauen, die hier ihrem Tagewerk nachgingen, schenkten uns keinerlei Beachtung, was mich auf gewisse Weise beruhigte. Wir durften nicht auffallen, und in den kurzen Momenten, in denen Reynold und Jasmin nicht miteinander zeterten, mochte das auch durchaus gelingen.
»Ich habe es mir anders vorgestellt«, sagte Reynold.
»Was?«, fragte ich.
»Münster. Und die Menschen hier. Alles ist so … alltäglich.«
»Was hast du erwartet? Hunderte nackte Männer und Frauen, die sich an die Hände fassen und einen Reigen um ein großes Feuer tanzen?«
»So etwas Ähnliches.« Reynold hob die Schultern. »Aber hier geht es nicht anders zu als in den meisten Städten.«
»Vielleicht täuschst du dich«, mischte sich Jasmin ein. »Schau dir das an.«
Wir hatten inzwischen den Domplatz erreicht, und uns wurde sofort klar, worauf sich Jasmin bezog, denn auf dem Platz waren solche Mengen an zerschlagenem Mobiliar, Heiligenbildern, Orgelpfeifen und Holzverzierungen zusammengetragen worden, dass sich dieser Haufen in wohl drei-bis vierfacher Mannshöhe erhob.
Rund um diesen Berg waren Dutzende Menschen im Gebet versunken. Mehrere von ihnen lagen mit kreuzförmig ausgestreckten Armen auf der Erde. Andere drehten sich in einem seltsamen Tanz im Kreis, streckten die Hände in die Luft und lobpriesen Christus den Erlöser.
Inmitten dieser religiös Verzückten ging ein Prediger umher, der zu den Gläubigen sprach und den Wahn dieser Männer und Frauen mit düsteren Offenbarungen befeuerte. Wie in einer Wellenbewegung sanken die Leute um ihn herum auf die Knie, sobald er sich ihnen näherte.
»Ich sah einen Engel vom Himmel fahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in der Hand«, rief der Prediger aus, der ein ähnliches Gewand wie der Prädikant Ollrich trug und der nun auf uns zutrat.
»Und er griff den Drachen, die alte Schlange,
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