Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
alter kranker Mann gegen vier kräftige Galgenstricke. Mir bleibt wohl keine Wahl, als mich zu beugen. Denn wer sollte mir schon zu Hilfe eilen, wenn ich jetzt laut aufschreie?«
»Die Täufer«, entgegnete ich. »Und die verachtet Ihr gewiss noch mehr als uns.«
Kribbe nickte und betrachtete den Pokal. »Zur Hölle sollt ihr fahren, wenn ihr euch an mir versündigt.« Er griente zahnlos. »Für diese Tat soll der Teufel euch die Eingeweide aus dem Arsch reißen.«
»Trinkt endlich!«, verlangte Reynold.
Kribbe atmete tief ein, dann hob er den Pokal zum Mund und leerte ihn mit einigen kräftigen Schlucken.
Ich nahm das Gefäß aus seinen Händen. Kribbe bekreuzigte sich und schloss die Augen. Er sprach leise ein Vaterunser, danach ein Ave Maria und mehrere Psalmen, die mir nicht bekannt waren. Nach einer Weile wurde seine Stimme lahmer. Er legte zwischen dem Sprechen immer wieder Pausen ein. SeineAugenlider flackerten, und schließlich fiel sein Kinn auf die Brust, und er schlief ein.
Cort nahm das Talglicht, öffnete die Tür zu einem Nebenraum, schaute hinein und sagte: »Hier gibt es eine Bettstatt. Wir können ihn dort niederlegen.«
Er hob den kleinen Mann von der Bank und trug ihn in die Kammer. Ich schaute Reynold an und fragte ihn: »Wie lange wird er schlafen?«
Reynold hob unschlüssig die Schultern. »Ich habe ihm drei Pastillen verabreicht, um Gewissheit zu haben, dass das Opium wirkt. Ich selbst habe niemals mehr als eine zur gleichen Zeit zu mir genommen.«
»Du meinst …«
Reynold kratzte verlegen seinen Hinterkopf. »Nun ja, wir sollten beim Allmächtigen wohl ein gutes Wort einlegen, damit der Alte überhaupt wieder aufwacht …«
KAPITEL 16
Auch nach mehreren Stunden war Anton Kribbe noch nicht wieder ansprechbar. Entweder lag der alte Mann mit halbgeschlossenen Augen auf dem Bett, stierte zur Decke und murmelte unverständliche Wörter, oder er schlief und schnarchte leise vor sich hin.
Nun, wo wir untätig in diesem Haus herumsaßen und nach all der Aufregung zur Ruhe gekommen waren,stellte sich der Hunger ein. Wir hatten seit dem Morgen nichts mehr gegessen, und jedem von uns knurrte der Magen. Vor allem Reynold beschwerte sich darüber, wie schwach er sich fühlte, weil er nichts zwischen die Zähne bekam. Ich störte mich nicht an seinem Wehklagen, denn ich war es gewohnt, dass Reynold ungehalten wurde, wenn er Hunger verspürte. Nach einer Weile lief er rastlos im Haus herum und suchte nach Verpflegung. In der angrenzenden Küche fand er aber nur einen harten Kanten Brot und einen Tonkrug, der mit säuerlichem Wein gefüllt war. In einem Verschlag neben der Küche war zwar noch eine dürre Ziege angebunden, die aber trotz Reynolds ausdauernder Melkversuche und guten Zuredens keine Milch geben wollte.
Ich schickte Jasmin mit einem Eimer zum Brunnen, damit wir den Wein mit Wasser verdünnen und so zumindest unseren Durst stillen konnten. Reynolds Jammern wurde damit allerdings kein Ende gesetzt, und zu unserem Verdruss ließ ihn der Wein noch wehleidiger werden.
Die Nacht war bereits hereingebrochen, als Anton Kribbe endlich aus seinem langen Schlaf erwachte. Wir hörten ihn husten, und bald darauf vernahmen wir seine schlurfenden Schritte. Dann öffnete sich die Tür zur Schlafkammer, und Kribbe trat unter den Balken.
»Ihr seid ja immer noch hier«, brummte er und schaute missmutig umher. Er durchquerte die Stube, warf einen Blick in die Küche und meinte: »Zumindest ist noch alles an seinem Platz. Diebe scheint ihr also nicht zu sein.«
»Was sollen wir denn hier stehlen?«, entgegnete Reynold. »Die dreckigen Töpfe aus der Küche oder die Mäuse, die hier ständig über den Boden huschen?«
Kribbe machte eine abweisende Handbewegung, nahm sich den Eimer, in dem sich noch ein Rest Wasser befand, und wischte sich mit nassen Händen über das Gesicht. Dann sagte er: »Meine Finger sind noch immer versteift, aber die Schmerzen sind erträglich, und ich habe schon seit Wochen nicht mehr so lange und so tief geschlafen.« Er schaute zu Reynold. »Deine Pillen schickt der Himmel. Hast du mehr davon?«
Reynold schürzte die Lippen, zog das kleine Kästchen hervor und zählte die Opiumpastillen. »Ich könnte Euch vier oder fünf davon überlassen. Wenn …«
»Wenn was?«, hakte der Alte sofort nach.
»Wenn Ihr uns eine ordentliche Mahlzeit verschafft.« Reynold strich über seinen Bauch. »Mir brummt der Magen so laut wie ein Donnergrollen, und meinen Gefährten geht es
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