Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
der Tod meiner lieben Ehefrau hart getroffen, und doch erleichtert es mich, dass ihr Herz zu schlagen aufhörte, bevor Münster von diesem Wahnsinn befallen wurde. So blieb ihr viel Leid erspart.«
»Wie konnte es überhaupt dazu kommen?«, fragte ich. »Wie ist es den Täufern gelungen, über diese Stadt zu herrschen?«
»Das Übel begann mit diesem Prediger Bernhard Rothmann, verflucht soll er sein«, ereiferte sich Kribbe. »In dem Moment, als ich davon hörte, dass Rothmann die lutherischen Thesen in Münster verbreitete, sah ich dunkle Zeiten über die Stadt hereinbrechen, und ich sollte mich nicht täuschen. Seine Ideen gingen über die Vorstellungen eines Martin Luthers weit hinaus. Rothmann behauptete, die Gebete für die Toten seien zwecklos, weil das Fegefeuer nur ein Schwindel der alten Kirche sei. Er sprach davon, dass die Verehrung der Heiligenbildnisse ein Sakrilegsei, und er lehnte auch die Kindstaufe ab, weil sich ein Mensch mit freiem Willen zu seinem Glauben bekennen solle.«
Kribbe nahm einen beherzten Schluck Wein zu sich, so als müsse er sich ob dieser Schilderung blasphemischer Vorgänge den Mund ausspülen, und sprach weiter: »Viele Kinder sterben, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen. Soll den armen Seelen das Himmelreich verschlossen bleiben, weil man ihnen die Taufe vorenthalten hat? Welch ein Unsinn! Dennoch liefen die Bürger Rothmann in Scharen zu. Weil seine Zuhörer während der Predigten in der Stiftskirche St. Mauritz keinen Platz mehr fanden, errichtete man ihm eine Kanzel auf dem angrenzenden Friedhof, wo Rothmann unter freiem Himmel seine giftigen Ideen in die Köpfe der Bürger pflanzte. Man hätte ihn damals in Ketten legen und ihm die Zunge herausreißen sollen, doch der Münstersche Rat, dem zu dieser Zeit bereits einige Lutheraner angehörten, verteidigte diesen Aufrührer sogar noch gegen den Bischof und das Domkapitel. Und unser Bischof Franz von Waldeck willigte gar in einen Vertrag ein, der Münster die freie Religionsausübung empfangen.« Kribbe seufzte. »Was soll man auch von einem Mann erwarten, der niemals die Priesterwürde empfangen hat und dem nachgesagt wird, dass er selbst Gefallen an der reformatorischen Lehre gefunden hat.«
Der Alte schlug wütend mit der Hand auf den Tisch. »Wenn alles nicht so tragisch wäre, würde ich sagen, es geschieht Franz von Waldeck recht, dass er seine Stadt an die Täufer verloren hat. Als man Bernhard Rothmann freie Hand ließ, wurden den Sektierern Tür und Tor geöffnet. Es dauerte nicht lange, und weitere auswärtige Prediger trafen in Münster ein. Der Gefährlichste unter ihnen war wohl der selbsternannte Prophet Jan Matthys, ein Bäcker aus Haarlem. Dieser düstere Fanatiker verkündete mit bebender Stimme und glühenden Augen das Ende der Welt. Ich war zugegen, als er auf dem Domplatz drohte, dass die Welt schon bald mit dem Feuer und dem Schwert gereinigt werden würde und dass nur diejenigen errettet würden, die ohne Sünde seien und das Zeichen des Herrn auf der Stirn trügen. Glaubt mir, es hat mich in den Fingern gejuckt, einen Stein aufzuheben und ihn diesem Teufel an den Kopf zu werfen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Aber ich war schwach, und ich habe stumm mitangesehen, wie die aufgeheizte Menge in die Kirchen und Klöster lief und in wilder Raserei die Gotteshäuser zerstörte und verunstaltete. Sie zertrümmerten die Taufsteine, demolierten Bildwerke und Heiligenstatuen, entweihten die Reliquien und vernichteten Altäre und Orgeln. Sogar die kunstvolle astronomische Uhr im Dom wurde von den Barbaren mit Beilen und Knüppelnzerschlagen. Danach trugen sie die Trümmer auf dem Domplatz zusammen. Nun verehren die Täufer diesen Gerümpelhaufen wie ein heiliges Werk. Sie nennen es den Berg Zion. Ich hingegen bezeichne es als blasphemischen Irrsinn.«
»Wir haben diesen Berg gesehen«, sagte ich. »Und auch ein Podest mit einem blutbeschmierten Holzquader. Werden dort die Hinrichtungen durchgeführt?«
Kribbe nickte. »Die Herrschaft der Täufer ist grausam. Wenn ein Mann oder eine Frau gegen ihre strengen Regeln verstößt, bedeutet das rasch das Todesurteil, und sie werden unserem einäugigen Scharfrichter Nilan übergeben, den man den Zyklop nennt. Nun versteht ihr gewiss besser, warum ich den ganzen Tag hier in meinem Haus hocke. Ich hätte es mir einfach machen und fortgehen können, als die Täufer durch die Straßen zogen und die Bürger vor die Wahl stellten, die Erwachsenentaufe zu empfangen
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