Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
und wie ist euch das überhaupt gelungen?«
Trotz seiner Grantigkeit hatte ich den Eindruck gewonnen, dass Anton Kribbe uns gegenüber nicht mehr allzu feindselig eingestellt war. Wahrscheinlich hatte er es sogar genossen, seinen langen Bericht über die Geschehnisse in Münster vor uns abzulegen. Für den alten Mann, der seit Wochen dieses Haus nur selten verließ, musste unsere Gesellschaft eine willkommene Abwechslung bedeuten. Ich konnte aber verstehen, dass er mehr über uns erfahren wollte, und so verriet ich ihm, dass wir erst vor kurzem in das Lager der Bischöflichen gereist und dort auf seinen Sohn Melchior getroffen waren, weil wir nach einem Weg gesucht hatten, in die belagerte Stadt zu gelangen.
»Und? Hat mein Sohn euch helfen können?«, wollte Kribbe wissen.
Ich schüttelte den Kopf und druckste ein wenig herum. »Nein … er … er wusste keinen Rat … aber er schickte uns zu Euch und gab uns seinen Ring, um Euch von unserer Redlichkeit zu überzeugen.«
»Ich habe lange keine Nachricht mehr von Melchior erhalten«, sagte Kribbe. »Wie steht es um meinen Sohn?«
Wir schauten verlegen von einem zum anderen, und es war schließlich Reynold, der ihm antwortete: »Als wir ihn das letzte Mal zu Gesicht bekommen haben, wirkte er etwas zerstreut.«
Reynold verzog bei diesem recht geschmacklosen Wortspiel keine Miene, und auch ich ließ mir nichts anmerken. Anton Kribbe musste nicht erfahren, dass sein Sohn mit heruntergelassenen Hosen von einer Kanonenkugel zerfetzt worden war.
Der ahnungslose Kribbe nahm Reynolds Bemerkung ohne Nachfrage hin. Ich wechselte zudem das Thema, indem ich dem alten Mann berichtete, wie wir nach dem Sturmangriff vor die Tore der Stadt getreten waren und den Täufern unsere Dienste als Landsknechte angeboten hatten. Natürlich erzählte ich ihm auch, dass Cort den Prädikanten Ollrich niedergeschlagen hatte und dass es uns gelungen war, die Wachen zu übertölpeln, bevor wir aus dem Torhaus geflohen waren.
»Gut gemacht«, meinte Kribbe. »Da hat dieser Prädikant gewiss zum ersten Mal in seinem Leben tatsächlich die Engel singen gehört.« Er trank seinen Wein aus und lachte leise in sich hinein. Dann wurde er aber wieder ernst und sagte: »Ihr habt mir nochimmer nicht verraten, aus welchem Grund ihr nach Münster gekommen seid. Was ist euer Auftrag? Warum habt ihr euer Leben aufs Spiel gesetzt, um in dieses Tollhaus zu gelangen?«
Ich räusperte mich. »Die Tochter eines wohlhabenden Mannes war als Novizin in einem Kloster hier in Münster untergebracht worden. Sie ließ sich von den Worten der Täufer verführen und hat sich ihnen angeschlossen. Unser Auftrag ist es, sie zu finden und zu ihrem Vater zu bringen, damit sie zurück zum alten Glauben geführt werden kann.«
Kribbe schaute mir tief in die Augen und versuchte wohl abzuwägen, ob ich aufrichtig zu ihm war.
»Ein edles Ansinnen«, sagte er schließlich. Er deutete auf Melchiors Ring, der vor ihm auf dem Tisch lag. »Wenn mein Sohn euch vertraut hat, dann will auch ich euch die Unterstützung nicht verweigern. Ihr könnt vorerst in meinem Haus bleiben und euch auf dem Dachboden einen Platz zum Schlafen suchen.« Kribbe hob mahnend einen seiner verkrümmten Finger. »Aber um eure Verpflegung müsst ihr euch selbst kümmern. Meine Vorräte reichen nicht aus, um euch zu verköstigen, schließlich kann die Belagerung noch Monate dauern.«
»Wir danken Euch für die Gastfreundschaft«, versicherte ich ihm.
»Lasst die Förmlichkeiten beiseite«, sagte der Alte.»Wenn wir schon das gleiche Schicksal teilen, könnt ihr mich auch mit meinem Vornamen anreden.«
»Das wollen wir gerne beherzigen.«
Kribbe rieb seine Nase. »Verratet ihr mir, wie ihr dieses Mädchen finden wollt?«
»Wir beginnen mit dem Kloster, in dem sie gelebt hat. Vielleicht begegnen wir dort jemandem, der sie kannte und der weiß, wo sie sich jetzt aufhält«, sagte ich. »Wichtig ist nur, dass wir uns möglichst unauffällig verhalten.« Ich ließ einen strengen Blick durch die Runde streifen, der vor allem Reynold ermahnen sollte.
»Unauffällig?« Kribbe lachte. »Ich sehe vor mir einen Riesen, einen Kerl mit einem verstümmelten Ohr und eine Frau, die etwas von einer Zigeunerin an sich hat. Wie könnt ihr glauben, dass ihr jemals unauffällig daherkommen könntet? Ihr müsst wahnsinnig sein.«
»Vielleicht ist das so«, entgegnete ich. »Aber dann befinden wir uns gewiss am richtigen Ort.«
KAPITEL 17
Unsere erste Nacht in Münster
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