Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
große Verlockung für sie gewesen«, meinte Jasmin. »Ich nehme an, sie ist den anderen Frauen zum Gerichtstag gefolgt.«
»Verdammt!«, fluchte ich. »Das heißt, wir müssen alles abbrechen und auf eine neue Gelegenheit warten.«
Kaum hatte ich das ausgesprochen, hörte ich jemanden hinter meinem Rücken meinen Namen rufen. Ich wandte mich um und sah Amalia. Sie lief vom anderen Ende des Korridors auf mich zu, fiel mir in die Arme und schnaufte aufgeregt.
»Emanuel, du musst mir helfen«, hauchte sie in mein Ohr. »Ich bin in Gefahr.«
Ich drückte sie ein wenig von mir, und erst jetzt bemerkte Amalia wohl Jasmin und starrte sie verwundert an.
»Was zum Himmel ist denn geschehen?«, fragte ich sie. »Warum habt Ihr nicht auf Eurem Zimmer auf mich gewartet?«
»Ich … ich wollte eine Kanne Wein für uns besorgen«, erklärte Amalia. Sie atmete zweimal tief ein und aus, um sich zu beruhigen. »Als ich auf dem Weg zur Speisekammer im Saal ein offenstehendes Fenster schließen wollte, sah ich einen Mann über den Hof laufen.«
Ich stutzte. Sprach sie von Reynold? Aber warum sollte der sie in eine solche Aufregung versetzen?
»Was ist so schlimm daran, wenn Ihr einen Mann gesehen habt?«, sagte ich. »Wahrscheinlich handelte es sich nur um einen Pferdeknecht, der wie wir dem Gerichtstag ferngeblieben ist.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne den Kerl. Er steht in den Diensten meines Vaters. Dieser Mann ist gewiss kein Anhänger der Täuferlehre. Mein Vater muss ihn nach Münster geschickt haben, um mich in seine Gewalt zu bringen. Und womöglich ist er nicht allein.«
»Ihr könntet Euch getäuscht haben«, entgegnete ich. »Eine Gestalt im Regen …«
»Unsinn!«, rief sie ärgerlich. »Diesen Hünen würde ich in einer Neumondnacht erkennen. Er ist groß wie ein Baum und könnte jeden von uns mit einem einzigen Schlag niederstrecken.«
»Cort«, knurrte ich. Was hatte der hier verloren?
Amalia machte einen Schritt zurück und schaute mich so entgeistert an, als hätte ich mich soeben in einen Ziegenbock verwandelt. »Woher kennst du seinen Namen?«
»Amalia …«, versuchte ich sie zu beschwichtigen, doch sie fiel mir sogleich ins Wort.
»Woher kennst du seinen Namen?«, wiederholte sie gereizt.
Ich erwiderte nichts darauf, reichte Jasmin den Pokal, dann packte ich Amalia, die spitz aufschrie, alsich ihre Arme auf den Rücken zwängte und sie mit einem festen Griff festhielt.
»Lass mich los, du Dummkopf!«, schimpfte Amalia.
»Der Wein!«, rief ich Jasmin hastig zu. »Sie muss den Wein trinken!«
»Nein!«, protestierte Amalia und wand sich verzweifelt. »Dafür lasse ich euch hinrichten.«
Jasmin fasste recht grob in Amalias Haare, zog den Kopf nach hinten und setzte ihr den Pokal an die Lippen.
»Kneif ihr die Nase zu, damit sie schluckt!«, sagte Jasmin. Ich hielt Amalia nun mit einer Hand fest, um mit der anderen ihre Nase zuzudrücken. Sie strampelte wild, aber Jasmin gelang es tatsächlich, ihr mehr als die Hälfte des mit dem Opium versetzten Weines einzuflößen.
Ich schleppte Amalia in ihre Kammer, drückte sie auf das Bett und zog die Lederschnüre hervor, die ich vorsorglich mitgenommen hatte. Während ich Amalia fesselte, bedachte sie Jasmin und mich mit einem Reigen an Beschimpfungen, von denen Abschaum und Straßenköter noch die harmlosesten Bezeichnungen waren.
Zu guter Letzt stopfte ich ihr ein Tuch in den Mund und stoppte damit ihre Schimpfkanonade. Stöhnend wand Amalia sich nun auf dem Bett hinund her, mit einem finsteren Blick, der Jasmin und mich wohl am liebsten mit Blitzen und Feuerbällen gestraft hätte.
»Warum in drei Teufels Namen hat sie Cort zu Gesicht bekommen?«, keuchte Jasmin.
»Ich habe keine Ahnung.« Mich plagte ein schlechtes Gefühl, was diese Entführung betraf. Wenn sich Cort tatsächlich hier auf dem Hof herumtrieb, konnte das nur bedeuten, dass etwas schiefgelaufen war. Doch nun, wo Amalia ihn erkannt hatte und von uns überwältigt worden war, gab es kein Zurück mehr.
»Sie dürfte sich gleich beruhigen und hoffentlich einschlafen«, sagte ich. »Dann ziehen wir ihr …« Ich hielt inne, weil mir bewusst wurde, dass ich vergessen hatte, den Leinensack mitzunehmen, den wir Amalia überstreifen wollten, bevor wir sie durch die Stadt karrten.
»Ich habe nicht an den Sack gedacht«, teilte ich Jasmin mit. »Gibt es hier einen, der groß genug ist, um Amalia darin zu verbergen?«
Jasmin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Dann begebe
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