Die Frau des Zeitreisenden
groß, die Lider halb geschlossen, als würde sie gleich einschlafen. Ihre Dreadlocks, die sie hoch aufgetürmt trägt, sind mit rosa Essstäbchen geschmückt, passend zu ihrem glänzenden rosa Kleid.
»Entweder bist du mutig oder verrückt«, sagt sie.
»Manch einer behauptet das.«
»Nun ja, inzwischen solltest du es wissen.«
Ich lächle, zucke die Achseln und trinke einen Schluck Kaffee, der Zimmertemperatur hat und zu süß ist.
»Weißt du, wo Henry gerade ist?«, fragt Celia.
»Nein. Weißt du, wo Ingrid gerade ist?«
»Mhm«, sagt Celia. »Ingrid sitzt auf einem Barhocker in Berlin und wartet auf mich.« Sie sieht auf die Uhr. »Ich komme zu spät.« Das Licht von der Straße lässt ihren umbrafarbenen Teint erst blau und dann purpurrot schimmern. Sie sieht aus wie eine glamouröse Marsbewohnerin. Sie grinst mich an. »Henry rennt gerade in seinem Geburtsanzug den Broadway entlang und ein Rudel Skinheads ist ihm dicht auf den Fersen.« Oh, nein.
Der Kellner bringt Celias Kaffee, und ich zeige auf meine Tasse. Er schenkt nach, ich messe vorsichtig einen Teelöffel Zucker ab und rühre um. Celia stellt einen Mokkalöffel in die winzige Tasse türkischen Kaffees. Er ist schwarz und dick wie Melasse. Es waren einmal drei kleine Schwestern ... und die lebten in einem Mühlrad... Warum lebten sie denn in einem Mühlrad?... Es war eine Karamellmühle.
Celia wartet, dass ich etwas sage. Verbeuge dich, während du überlegst, was du sagen sollst. Damit gewinnst du Zeit. »Wirklich?«, sage ich. Oh, genial, Clare.
»Das scheint dich nicht zu berunruhigen. Wenn mein Mann im Adamskostüm durch die Gegend laufen würde, hätte ich persönlich schon ein paar Bedenken.«
»Klar, aber Henry ist eben nicht gerade der Durchschnittstyp.«
Celia lacht. »Das kannst du aber laut sagen, Schwester.« Was weiß sie von ihm? Weiß Ingrid es auch? Celia beugt sich zu mir, nippt an ihrem Kaffee, öffnet die Augen weit, hebt ihre Brauen und spitzt die Lippen. »Du willst ihn wirklich heiraten ?«
Eine verrückte Eingebung verleitet mich zu sagen: »Wenn du es mir nicht glaubst, kannst du mir dabei zusehen. Komm doch zur Hochzeit.«
Celia schüttelt den Kopf. »Ich? Du weißt, Henry kann mich absolut nicht leiden. Kein bisschen.«
»Aber du bist offenbar auch kein großer Fan von ihm.«
Celia grinst. »Inzwischen schon. Er hat Miss Ingrid hart fallen lassen, und ich lese die einzelnen Teile auf.« Sie blickt wieder auf die Uhr. »Wo wir gerade bei ihr sind, ich komme zu spät zu meiner Verabredung.« Celia steht auf und sagt: »Komm doch einfach mit!«
»Oh, nein danke.«
»Komm schon, Mädchen. Du und Ingrid, ihr solltet euch kennen lernen. Ihr habt so viel gemeinsam. Wir feiern eine kleine Junggesellinnenparty.«
»In Berlin?«
Celia lacht. »Nicht die Stadt. Ich spreche von der Bar.« Ihr Karamelllachen klingt, als käme es aus dem Körper einer viel größeren Person. Ich will nicht, dass sie geht, aber...
»Nein, das halte ich für keine gute Idee.« Ich schaue ihr in die Augen. »Das wäre gemein.« Sie sieht mich unverwandt an, und ich denke an Schlangen, an Katzen. Fressen Katzen Fledermäuse ?... Fressen Fledermäuse Katzen ? »Außerdem muss ich das hier fertig machen.«
Celias Blick huscht zu meinem Notizblock. »Was, du machst Hausaufgaben? Ach so, morgen ist ein Schultag! Jetzt hör mal auf deine große Schwester Celia, die weiß genau, was für kleine Schulmädchen am besten ist - hey, darfst du überhaupt schon Alkohol trinken?«
»Ja«, sage ich stolz zu ihr. »Seit drei Wochen.«
Celia beugt sich dicht zu mir heran. Sie riecht nach Zimt. »Komm schon komm schon komm schon. Lass noch ein bisschen die Puppen tanzen, bevor du dich mit deinem Büchermann niederlässt. Komm schoooooonnnn, Clare. Ehe du dich’s versiehst, steckst du bis über beide Ohren in Bücherbabys, die ihre Pampers mit der Dezimalklassifikation voll scheißen.«
»Ich glaube wirklich nicht...«
»Dann sag doch nichts, komm einfach mit.« Celia packt meine Bücher zusammen und schafft es, den kleinen Milchspender umzustoßen. Ich will die Milch aufwischen, aber Celia marschiert einfach mit meinen Büchern in der Hand aus dem Café. Ich eile hinter ihr her.
»Celia, nicht, die brauch ich...« Für jemand mit kurzen Beinen und zehn Zentimeter hohen Absätzen geht sie ziemlich schnell.
»Ich geb sie dir erst, wenn du versprichst, dass du mit mir kommst.«
»Ingrid wird das nicht gut finden.« Wir schreiten im Gleichschritt,
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