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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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ich im Bett, und heute werden Henry und ich heiraten.
(7.16 Uhr)
     
    Henry: Die Trauung ist um 14 Uhr, zum Anziehen brauche ich ungefähr eine halbe Stunde, und die Fahrt zur St.-Basil-Kirche dauert zwanzig Minuten. Im Moment ist es 7.16 Uhr, mir bleiben also fünf Stunden und vierundvierzig Minuten, die ich totschlagen muss. Ich streife Jeans über, ein vergammeltes altes Flanellhemd und meine Basketballschuhe, dann schleiche ich, auf der Suche nach Kaffee, so leise wie möglich die Treppe hinunter. Aber Dad ist mir zuvorgekommen, er sitzt schon im Frühstücksraum, die Hände um eine zierliche Tasse dampfenden schwarzen Kaffees gelegt. Ich schenke mir auch eine Tasse ein und setze mich ihm gegenüber. Im schwachen Licht, das durch die Spitzenvorhänge an den Fenstern fällt, sieht Dad irgendwie gespenstisch aus, wie eine kolorierte Fassung seiner selbst aus einem Schwarzweißfilm. Seine Haare stehen in alle nur möglichen Richtungen, und ich streiche meine unwillkürlich glatt, so als wäre er ein Spiegel. Er tut es mir gleich, und wir müssen lächeln.
(8.17 Uhr)
     
    Clare: Alicia sitzt auf meinem Bett und pikst mich. »Komm schon, Clare«, stichelt sie. »Es wird Tag im Sumpf. Die Vögel singen« (gar nicht wahr), »und die Frösche springen und es ist Zeit zum Aufstehen !« Alicia kitzelt mich. Sie schlägt die Decke zurück, und wir ringen miteinander, und gerade als ich sie niederdrücke, streckt Etta den Kopf zur Tür herein und faucht: »Mädchen! Was soll dieser Krach. Euer Vater denkt, ein Baum ist aufs Haus gefallen, aber nein, ihr albernen Gänse wollt euch gegenseitig umbringen. Frühstück ist gleich fertig.« Mit diesen Worten zieht Etta unvermittelt den Kopf zurück, und wir hören, berstend vor Lachen, wie sie die Treppe hinunterpoltert.
(8.32 Uhr)
     
    Henry: Draußen wütet immer noch der Sturm, aber ich gehe trotzdem laufen. Ich studiere den Stadtplan von South Haven (»Ein leuchtendes Juwel an der Sunset Coast am Lake Michigan!«), mit dem Clare mich versorgt hat. Gestern lief ich am Strand entlang, was angenehm war, aber heute Morgen weniger zu empfehlen ist. Ich kann sehen, wie sich zwei Meter hohe Wellen ans Ufer werfen. Ich messe eine anderthalb Kilometer lange Straßenstrecke ab und denke, ich werde Runden laufen; wenn es dann zu scheußlich wird, kann ich das Ganze abbrechen. Ich strecke mich, und jedes Gelenk knackt. Ich kann die Spannung in den Nerven fast knistern hören, wie Rauschen in einer Telefonleitung. Ich ziehe mich an, und schon gehe ich hinaus in die Welt.
    Der Regen trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin auf der Stelle bis auf die Haut durchnässt. Stoisch arbeite ich mich mit mäßigem Tempo die Maple Street hinunter. Es ist eine einzige Plackerei, ich kämpfe gegen den Wind an, ohne eine Chance, zu beschleunigen. Ich komme an einer Frau vorbei, die mit ihrer Bulldogge am Randstein steht und mich staunend betrachtet. Das ist nicht nur Training, erkläre ich ihr im Stillen. Das ist pure Verzweiflung.
( 8.54 Uhr)
     
    Clare: Wir sind um den Frühstückstisch versammelt. Von allen Fenstern dringt Kälte herein, und ich kann kaum nach draußen sehen, weil es so stark regnet. Ob Henry bei dieser Sintflut laufen kann?
    »Ideales Wetter für eine Hochzeit«, witzelt Mark.
    Ich zucke die Achseln. »Ich hab’s nicht ausgesucht.«
    »Nein?«
    »Daddy hat es ausgesucht.«
    »Naja, ich zahle auch dafür«, sagt Daddy verdrießlich.
    »Stimmt.« Ich kaue auf meinem Toast.
    Meine Mutter beäugt kritisch meinen Teller. »Herzchen, nimm dir doch etwas von dem guten Schinken. Und den Eiern.«
    Allein der Gedanke daran dreht mir den Magen um. »Ich kann nicht. Ehrlich. Bitte.«
    »Dann schmier dir wenigstens etwas Erdnussbutter auf den Toast. Du brauchst Protein.« Ich stelle Augenkontakt zu Etta her, die in die Küche eilt und wenig später mit einem winzigen Kristallschälchen voll Erdnussbutter zurückkommt. Ich danke ihr und streiche mir ein bisschen auf den Toast.
    Ich frage meine Mutter: »Bleibt mir noch etwas Zeit, bis Janice auftaucht?« Janice hat Schreckliches mit meinem Gesicht und den Haaren vor.
    »Sie kommt um elf. Warum?«
    »Ich muss auf einen Sprung in die Stadt, noch was besorgen.«
    »Das kann ich für dich erledigen, Liebes.« Der Gedanke, aus dem Haus zu kommen, scheint sie zu erleichtern.
    »Ich würde gern selbst gehen.«
    »Wir könnten zusammen gehen.«
    »Allein.« Ich beschwöre sie stumm. Sie ist verdutzt, gibt aber nach.
    »Na schön. Meine

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