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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Güte.«
    »Gut. Bin bald zurück.« Ich stehe auf und will gehen. Daddy räuspert sich.
    »Entschuldigt ihr mich?«
    »Sicher.«
    »Danke.« Ich entfliehe.
(9.35 Uhr)
     
    Henry: Ich stehe in der gewaltigen, leeren Badewanne und kämpfe mich aus den kalten, durchweichten Kleidern. Meine nagelneuen Laufschuhe haben eine gänzlich andere Form angenommen, irgendwie erinnern sie an Meereswesen. Von der Eingangstür bis zur Badewanne zieht sich eine Wasserspur, an der sich Mrs Blake hoffentlich nicht allzu sehr stört.
    Jemand klopft an die Tür. »Einen Augenblick noch«, rufe ich, platsche zur Tür und öffne sie einen Spalt. Zu meiner völligen Überraschung ist es Clare.
    »Wie lautet die Losung?«, frage ich leise.
    »Fick mich«, erwidert Clare. Ich reiße die Tür weit auf.
    Clare kommt herein, setzt sich aufs Bett und zieht auch schon die Schuhe aus.
    »Das ist kein Witz?«
    »Komm schon, o du mein Beinahe-Mann. Um elf muss ich wieder zurück sein.« Sie mustert mich von oben bis unten. »Du bist gelaufen! Bei dem Regen hätte ich das nicht gedacht.«
    »Schreckliche Zeiten erfordern schreckliche Maßnahmen.« Ich schäle mich aus meinem T-Shirt und werfe es in die Wanne, wo es platschend landet. »Bringt es nicht Unglück, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sieht?«
    »Dann mach die Augen zu.« Clare läuft ins Bad und holt ein Handtuch. Ich beuge mich vor, und sie trocknet mir die Haare. Ein wunderschönes Gefühl. Damit könnte ich mich für den Rest meines Lebens begnügen. Ja, wirklich.
    »Ganz schön kalt hier«, sagt Clare.
    »Komm und sei gebettet, Beinahe-Frau. Das ist der einzige warme Platz im ganzen Haus.« Wir steigen hinein.
    »Wir machen alles durcheinander, oder?«
    »Hast du damit Probleme?«
    »Nein. Mir gefällt’s.«
    »Gut. Dann bist du an den richtigen Mann geraten, was deine außerzeitgemäßen Wünsche betrifft.«
(11.15 Uhr)
     
    Clare: Ich schleiche durch die Hintertür und stelle den Schirm im Vorraum ab. In der Eingangshalle stoße ich beinahe mit Alicia zusammen.
    »Wo warst du? Janice ist schon da.«
    »Wie spät ist es?«
    »Viertel nach elf. Hey, du hast dein Hemd erstens falsch und zweitens linksrum an.«
    »Bringt das nicht Glück?«
    »Kann sein, aber zieh es trotzdem lieber richtig an, bevor du nach oben gehst.« Schnell gehe ich in den Vorraum zurück und drehe das Hemd um. Dann renne ich nach oben. Mama und Janice stehen im Flur vor meinem Zimmer. Janice hat eine riesige Tasche mit Schminksachen und anderen Folterinstrumenten bei sich.
    »Da bist du ja. Langsam wurde ich schon unruhig.« Mama geleitet mich in mein Zimmer, Janice bildet die Nachhut. »Ich muss noch mit dem Partyservice sprechen.« Sie ringt beinahe die Hände, als sie geht.
    Ich wende mich zu Janice, die mich kritisch untersucht. »Deine Haare sind ganz nass und verwuschelt. Kämm sie schon mal durch, während ich auspacke.« Sie holt eine ganze Batterie von Tuben und Flaschen aus ihrer Tasche und stellt sie auf die Kommode.
    »Janice.« Ich zeige ihr eine Postkarte von den Uffizien. »Kannst du das?« Ich fand diese kleine Medici-Prinzessin, deren Haare meinen nicht unähnlich sind, schon immer wunderschön; sie trägt viele kleine Zöpfe mit eingeflochtenen Perlen zu einem losen wunderschönen bernsteinfarbenen Pferdeschwanz gebunden. Auch der unbekannte Künstler muss sie sehr gemocht haben. Er konnte gar nicht anders.
    Janice überlegt. »Deine Mutter hat da aber ganz andere Vorstellungen.«
    »Aber es ist meine Hochzeit. Und mein Haar. Und wenn du es so machst, wie ich es möchte, geb ich dir ein dickes Trinkgeld.«
    »Wenn ich deine Haare so frisiere, bleibt mir keine Zeit mehr für dein Gesicht, es dauert lange, die vielen Zöpfchen zu flechten.«
    Halleluja. »Macht nichts. Ich schminke mich selbst.«
    »Na schön. Kämm deine Haare durch, dann kann’s losgehen.« Ich fange an, die verhedderten Strähnen zu entwirren. Allmählich gefällt mir die Sache. Ich überlasse mich Janices schlanken braunen Händen und frage mich, was Henry wohl so treibt.
     
    Henry: Der Frack und der ganze damit verbundene Kummer liegen ausgebreitet auf dem Bett. In dieser Kühlkammer friere ich mir noch meinen unterernährten Hintern ab. Ich werfe die kalten nassen Kleider von der Badewanne ins Waschbecken. Wunderlicherweise ist das Bad genauso groß wie das Schlafzimmer. Es ist mit Teppich ausgelegt und gnadenlos pseudoviktorianisch. Die Badewanne, ein gewaltiges Ding mit geschwungenen Klauenfüßen, steht

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