Die Frau des Zeitreisenden
weicher Scotch. Ich nehme einen zweiten Schluck, reiche den Flachmann zurück. Draußen im Vorraum höre ich Leute lachen und reden. Ich schwitze, und mir tut der Kopf weh. Es ist sehr warm. Ich stehe auf und öffne das Fenster, hänge den Kopf hinaus, atme. Es regnet noch immer.
Aus den Büschen dringt ein Geräusch. Ich öffne das Fenster noch ein Stück und blicke nach unten. Da bin ich, sitze unterm Fenster auf der Erde, klatschnass und keuchend. Er grinst mich an und streckt mir den emporgereckten Daumen hin.
Clare: Wir stehen alle im Vorraum der Kirche. Daddy sagt: »Bringen wir die Show auf den Weg«, und klopft an die Zimmertür, hinter der Henry sich ankleidet. Gomez streckt den Kopf heraus und sagt: »Einen Moment noch.« Er wirft mir einen Blick zu, bei dem sich mir der Magen umdreht, dann zieht er den Kopf zurück und schließt die Tür. Ich gehe auf die Tür zu, als Gomez sie wieder öffnet, und da ist Henry, richtet seine Manschettenknöpfe. Er ist nass, schmutzig und unrasiert. Er sieht aus wie vierzig. Aber er ist da und lächelt mich triumphierend an, dann schreitet er durch die Flügeltür der Kirche und den Gang entlang.
Sonntag, 13. Juni 1976 (Henry ist 30)
Henry: Ich liege auf dem Boden in meinem alten Schlafzimmer. Ich bin allein, es ist ein herrlicher Sommerabend in einem unbekannten Jahr. Eine Weile liege ich da, fluche vor mich hin und fühle mich wie ein Idiot. Dann stehe ich auf, gehe in die Küche und trinke ein paar von Dads Bieren.
Samstag, 23. Oktober 1993 (Henry ist 38 und 30, Clare 22)
(14.37 Uhr)
Clare: Wir stehen vor dem Altar. Henry wendet sich zu mir und sagt: »Ich, Henry, nehme dich, Clare, zu meiner Frau. Ich verspreche dir die Treue zu halten, in guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und im Tod. Ich will dich lieben und ehren alle Tage meines Lebens.« Ich denke: Vergiss es nicht. Ich wiederhole das Versprechen an ihn gewandt. Pfarrer Compton lächelt uns an und sagt: »Was Gott vereint hat, soll der Mensch nicht trennen.« Ich denke: Das ist gar nicht unser Problem. Henry schiebt mir den schmalen silbernen Ring über den Finger, an dem ich bereits den Verlobungsring trage. Ich stecke ihm das goldene Gegenstück über, es ist das einzige Mal, dass er es tragen wird. Die Messe nimmt ihren Lauf, und ich denke mir, nur darauf kommt es an: Er ist da, ich bin da, das
Wie spielt keine Rolle, solange er nur bei mir ist. Der Pfarrer segnet uns und sagt: »Die Messe ist zu Ende, gehet hin in Frieden.« Wir schreiten den Gang entlang, Arm in Arm, gemeinsam.
(18.26 Uhr)
Henry: Die Feier nimmt gerade ihren Anfang. Die Leute vom Partyservice sausen mit Servierwagen und abgedeckten Tabletts hin und her. Gäste kommen an und geben ihre Mäntel ab. Endlich hat es aufgehört zu regnen. Der Yacht Club von South Haven liegt am North Beach, ein Gebäude aus den 1920er Jahren, ausgestattet mit Holztäfelung und Leder, rotem Teppich und Schiffsgemälden. Draußen ist es mittlerweile dunkel, aber der Leuchtturm am Pier blinkt unverdrossen. Ich stehe an einem Fenster, trinke einen Glen-livet und warte auf Clare, die von ihrer Mutter aus irgendeinem Grund, in den ich nicht eingeweiht bin, weggeholt wurde. Ich sehe Gomez’ und Bens Spiegelbilder auf mich zukommen und drehe mich um.
Ben wirkt beunruhigt. »Wie geht es dir?«
»Ganz gut. Könnt ihr mir vielleicht einen Gefallen tun?« Sie nicken. »Gomez, geh bitte in die Kirche zurück. Dort findest du mich, ich warte im Vorraum. Du packst mich einfach und bringst mich hierher. Dann schmuggelst du mich ins untere Männerklo und lässt mich dort. Ben, du behältst mich derweil im Auge« (ich zeige auf meine Brust), »und wenn ich dir Bescheid gebe, nimmst du meinen Frack und bringst ihn mir in die Männertoilette. Alles klar?«
Gomez fragt: »Wie viel Zeit haben wir?«
»Nicht viel.«
Er nickt und entfernt sich. Charisse nähert sich, und Gomez küsst sie im Vorbeigehen auf die Stirn. Ich drehe mich zu Ben, der müde wirkt. »Wie geht es dir?«, frage ich ihn.
Ben seufzt. »Irgendwie erschöpft. Henry.«
»Hmm?«
»Aus welcher Zeit kommst du?«
»2002.«
»Kannst du... Hör mal, ich weiß, du tust das nicht gern, aber...«
»Was? Schon gut, Ben. Was du auch willst. Heute ist ein besonderer Anlass.«
»Sag mir: Bin ich im Jahr 2002 noch am Leben?« Ben sieht mich nicht an, er starrt auf die Band, die im Tanzsaal ihre Instrumente stimmt.
»Ja. Es geht dir gut. Erst vor ein paar Tagen haben wir uns gesehen und eine
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