Die Frau des Zeitreisenden
nicht mehr kommt, aber er erscheint wieder mit einer brennenden Zigarette in der Hand. Ich setze mich auf den altersschwachen Picknicktisch, der feucht vom Regen und mit Kiefernnadeln übersät ist. Es ist kalt hier draußen.
»Versucht ihr immer noch, ein Kind zu zeugen?«
Seine Bemerkung verblüfft mich, bis mir klar wird, dass Clare vermutlich Charisse alles erzählt, während Charisse vermutlich Gomez nichts erzählt.
»Sicher.«
»Ist Clare mittlerweile über die Fehlgeburt hinweg?«
»Fehlgeburten. Mehrzahl. Wir hatten drei.«
»Ein Kind zu verlieren, Mr DeTamble, mag als Pech durchgehen, aber drei zu verlieren riecht nach Leichtsinn.«
»Das ist wirklich nicht sehr komisch, Gomez.«
»Entschuldige.« Gomez scheint sich ausnahmsweise einmal für etwas zu schämen. Ich will nicht über das Thema sprechen. Mir fehlen die Worte, um darüber zu reden, ich kann mich kaum mit Clare darüber unterhalten oder mit Kendrick und den anderen Ärzten, vor deren Füßen wir unseren traurigen Fall ausgebreitet haben. »Entschuldige«, wiederholt Gomez.
Ich stehe auf. »Gehen wir wieder rein.«
»Ach, die brauchen uns nicht, die wollen über Frauensachen reden.«
»Also gut, reden wir über Baseball. Was sagst du zu den Cubs?« Ich setze mich wieder hin.
»Halt die Klappe.« Wir sind beide keine Baseballfans. Gomez tigert hin und her. Ich wünschte, er würde damit aufhören oder noch besser, ins Haus gehen. »Wo liegt denn das Problem?«, fragt er beiläufig.
»Bei wem? Den Cubs? Schlechte Werfer, würde ich sagen.«
»Nein, lieber Bücherknecht, ich meine nicht die Cubs. Wo liegt das Problem, dass du und Clare satans Kinder seid?«
»Das geht dich wirklich nichts an, Gomez.«
»Wissen sie überhaupt, wo das Problem liegt?«, bohrt er ungerührt weiter.
»Fahr zur Hölle, Gomez.«
»Tztz. Aber, aber. Ich kenne da nämlich eine großartige Ärztin...«
»Gomez...«
»Die auf fetale Chromosomenstörungen spezialisert ist.«
»Woher um alles in der Welt kennst ausgerechnet du eine...«
»Sie tritt als Sachverständige bei Gericht auf.«
»Aha.«
»Sie heißt Amit Montague«, fährt er fort, »und ist ein Genie. Sie war schon im Fernsehen und hat alle möglichen Preise gewonnen. Die Geschworenen lieben sie.«
»Oh, na, wenn die Geschworenen sie lieben...«, setze ich sarkastisch an.
»Geht einfach zu ihr und sprecht mit ihr. Himmel, ich will doch nur helfen.«
Ich seufze. »In Ordnung. Danke.«
»Heißt das >Danke, wir rennen gleich los und folgen deinem Rat, lieber Genosse<, oder >Danke, fick dich doch selbst«
Ich stehe auf, wische mir feuchte Kiefernnadeln vom Hosenhintern. »Gehen wir rein«, sage ich, und das tun wir.
VIER
Mittwoch, 21. Juli 1999/8. September 1998 (Henry ist 36, Clare 28)
Henry: Wir liegen im Bett. Clare hat sich auf der Seite mit dem Rücken zu mir eingerollt, ich bin an sie geschmiegt und blicke auf ihren Rücken. Es ist ungefähr zwei Uhr morgens, und nach einer langen und sinnlosen Diskussion über unser Fortpflanzungsdrama haben wir eben das Licht ausgemacht. Nun liege ich an Clare gepresst da, meine Hand umfasst ihre rechte Brust, und ich möchte klären, ob wir beide noch an einem Strang ziehen oder ob Clare mich schon irgendwie abgeschrieben hat.
»Clare«, sage ich leise in ihren Hals.
»Mmm?«
»Wir adoptieren ein Kind.« Schon seit Wochen, Monaten habe ich darüber nachgedacht. Mir scheint das ein brillanter Fluchtweg: Dann werden wir ein Kind haben, das gesund ist. Clare wird gesund sein. Wir werden glücklich sein. Es ist die nahe liegendste Lösung.
»Aber das wäre nicht richtig«, entgegnet Clare. »Wir würden uns damit etwas vormachen.« Sie setzt sich auf, dreht sich zu mir, und ich tue es ihr gleich.
»Es wäre ein Kind, das uns gehört. Wieso würden wir uns damit etwas vormachen?«
»Ich habe es satt, so zu tun als ob. Ständig machen wir uns etwas vor. Ich möchte es wirklich erleben.«
»Wir machen uns nicht ständig etwas vor. Wovon redest du überhaupt?«
»Wir tun so, als wären wir normale Leute, die ein normales Leben führen! Ich tue so, als wäre es absolut in Ordnung für mich, dass du immer weiß Gott wohin verschwindest. Du tust so, als wäre nichts, obwohl du fast umkommst, und Kendrick nicht weiß, was er dagegen unternehmen kann! Ich tue so, als würde es mir nichts ausmachen, wenn unsere Babys sterben...« Sie beugt sich nach vorn und schluchzt, ihre Haare verdecken ihr Gesicht wie ein seidener Vorhang, der sie
Weitere Kostenlose Bücher