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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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blauen Wackelpudding.« Aus dem anderen Zimmer höre ich Clare stöhnen und langsam aufstehen.
    »Grießbrei?«, versuche ich sie zu beschwatzen. Alba überlegt. »Mit braunem Zucker?«
    » Einverstanden.«
    »Willst du ihn machen?« Ich gleite vom Bett.
    »Klar. Darf ich auf dir reiten?«
    Ich zögere. Meine Beine tun sehr weh, und Alba ist ein bisschen zu schwer geworden, um solche Spiele ohne Schmerzen zu überstehen, aber im Moment kann ich ihr nichts abschlagen. »Klar. Spring auf.« Ich bin auf allen vieren. Alba klettert auf meinen Rücken, und wir machen uns auf den Weg in die Küche. Clare, die verschlafen an der Spüle steht, sieht zu, wie Kaffee in die Kanne tropft. Ich krieche zu ihr, stupse sie mit dem Kopf in die Knie, und sie packt Alba, die die ganze Zeit ausgelassen kichert, und hebt sie hoch. Ich rutsche zu meinem Stuhl. Clare lächelt und sagt: »Was gibt’s zum Frühstück, Köche?«
    »Wackelpudding!«, schreit Alba.
    »Mmm. Welche Sorte Wackelpudding? Cornflakes?«
    »Neeeiiin!«
    »Schinken?«
    »Igitt!« Alba klammert sich an Clare fest, zieht sie an den Haaren.
    »Aua. Nicht, Süße. Also dann müssen es Haferflocken sein.«
    »Grießbrei!«
    »Grießbreiwackelpudding, lecker.« Clare holt den braunen Zucker, die Milch, die Grießbreipackung, stellt alles auf die Theke und schaut mich fragend an. »Und du? Wackelpuddingomelette?«
    »Wenn du es machst, gern.« Ich bewundere die Effizienz, mit der sie sich in der Küche bewegt - Clare, der Leitstern aller Backfeen, als hätte sie seit Jahren nichts anderes getan. Sie wird ohne mich zurechtkommen, denke ich mir, wie ich sie so beobachte, dabei weiß ich, dass das nicht stimmt. Alba vermischt Wasser und Grieß, und ich stelle sie mir mit zehn, fünfzehn, zwanzig vor. Ich habe längst noch nicht genug. Ich bin noch nicht fertig. Ich will hier sein. Ich will sie sehen, ich will sie in die Arme schließen, ich will leben...
    »Daddy weint«, flüstert Alba Clare zu.
    »Weil er essen muss, was ich ihm koche«, sagt Clare, zwinkert mir zu, und ich muss lachen.

SILVESTER, ZWEI
Sonntag, 31. Dezember 2006 (Clare ist 35, Henry 43)
(19.25 Uhr)
     
    Clare: Wir geben eine Party! Anfangs wollte Henry nicht so recht, aber inzwischen scheint er sich sehr zu freuen. Er sitzt am Küchentisch und zeigt Alba, wie man aus Karotten und Radieschen Blumen schnitzt. Zugegeben, ich bin nicht ganz fair vorgegangen: Ich habe das Thema bei Alba angeschnitten, sie war völlig begeistert, und dann hat er es nicht über sich gebracht, sie zu enttäuschen.
    »Es wird toll, Henry. Wir laden alle ein, die wir kennen.«
    »Alle?«, fragte Henry mit einem Lächeln.
    »Alle, die wir mögen«, verbesserte ich mich. Und so mache ich seit Tagen die Wohnung sauber, und Henry und Alba backen Plätzchen (obgleich die Hälfte des Teigs in Albas Mund wandert, wenn wir nicht aufpassen). Gestern waren Charisse und ich im Supermarkt und haben eingekauft: Dips, Chips, Brotaufstriche, alle möglichen Gemüse, außerdem Bier, Wein und Sekt, kleine bunte Zahnstocher für Vorspeisen und Servietten mit Frohes-neues-Jahr-Aufdruck in Gold, dazu passende Pappteller und weiß der Kuckuck was noch. Nun riecht es im ganzen Haus nach Frikadellen und dem schon halb vertrockneten Christbaum im Wohnzimmer. Alicia ist da und wäscht die Weingläser.
    Henry blickt zu mir auf und sagt: »Hey, Clare, bald ist Showtime. Geh unter die Dusche.« Ich werfe einen Blick auf die Uhr, und ja, er hat Recht, es ist Zeit.
    Unter die Dusche, Haare waschen, Haare trocknen, Unterwäsche und BH anziehen, Strümpfe und schwarzes Partykleid aus Seide, Stöckelschuhe, dann ein Tupfer Parfüm, Lippenstift und ein letzter Blick in den Spiegel (nicht schlecht - ich staune), und schon bin ich wieder in der Küche, wo Alba seltsamerweise noch keinen einzigen Fleck auf ihr blaues Samtkleid gemacht hat und Henry noch in seinem löchrigen roten Flanellhemd und der zerrissenen Jeans dasitzt.
    »Willst du dich nicht umziehen?«
    »Oh ... doch. Klar. Hilfst du mir, hm?« Ich schiebe ihn in unser Schlafzimmer.
    »Was möchtest du anziehen?« Ich suche in seinen Schubladen nach Unterwäsche und Socken.
    »Egal. Such du’s aus.« Henry schließt die Schlafzimmertür. »Komm her.«
    Ich höre auf, im Schrank herumzuwühlen und sehe Henry an. Er stellt die Bremse am Rollstuhl fest und manövriert seinen Körper aufs Bett.
    »Wir haben keine Zeit«, sage ich.
    »Vollkommen richtig. Darum wollen wir sie nicht mit langen Reden verschwenden.«

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