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Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Titel: Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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deinem Furz alle meine sieben Erzfeinde erstickt. Sieben auf einen Wind! Als Dank hast du bis zur Morgendämmerung drei Wünsche frei, sprich und sie werden erfüllt‹, sagte sie und wartete.
    Mein Schwager, ein erfolgloser Maler, der immer schon geträumt hatte, einmal auf Montmartre zu leben, rief aufgeregt: ›Ich will auf der Stelle nach Paris!‹
    Um ihn wurde es dunkel. Als er zu sich kam, war er tatsächlich in einer geräumigen Wohnung in der Rue Lepic, nicht weit vom ›Café de deux Moulins‹ in Montmartre. Er sah sich um und wünschte, seine Frau wäre bei ihm, damit auch sie erlebte, was ihm alles gelang. Eilig rief er die Fee herbei: ›Nun wünsche ich mir meine Frau an meine Seite!‹ Es krachte wie ein mittelgroßer Knallkörper, und aus der kleinen Wolke stieg meine Schwester herab. Sie war barfuß und in ihrem Schlafrock, und außerdem war sie müde und fror. Die Wohnung war nicht geheizt, und draußen herrschte eisige Kälte. ›Was machen wir hier?‹, fragte sie entsetzt.
    ›Wir sind in Paris. Hier werde ich die schönsten Bilder malen‹, rief mein Schwager Isam fröhlich.
    ›Bist du verrückt. Ich will zurück zu meinen Kindern‹, schrie Hanan, seine Frau, und weinte vor Wut und Kälte. Sie wollte von all den Schwärmereien ihres Mannes, dass das Leben in Paris paradiesisch sei, nichts hören.
    ›Ich pfeife auf dein Paradies, ich will zu meinen Kindern‹, jammerte sie und war nun überzeugt, den falschen Mann geheiratet zu haben, der, statt Brot für seine Kinder herbeizuschaffen, seinen Träumen nachhing.
    Wütend über so viel Undankbarkeit äußerte mein Schwager seinen dritten Wunsch: Seine Frau solle auf der Stelle zu ihren Kindern zurückgebracht werden.
    Und so erzählt meine Schwester in Damaskus bis heute, dass sie in jener Nacht, als ihr Mann verschwand, einen merkwürdigen Traum gehabt hätte, in dem sie absurderweise barfuß und im Schlafrock in Paris stand. Und wer sie nach ihrem Mann fragt, dem antwortet sie bitter, er gehöre zu denen, die vorgeben, Zigaretten zu holen, und nie wieder zurückkommen.
    Und in Paris erzählt mein Schwager, der als armer Kellner sein Brot verdient, jedem, der Ohren hat, wie er immer davon geträumt habe, nach Paris zu kommen, und wie er es bis heute bedauere, dass eine Fee seinen Wunsch erfüllt habe.«
    Aida hielt inne.
    »Großartig«, sagte Suad. »Ist es aber auch wirklich wahr?«
    »Ja, das schwöre ich euch. Man kann inzwischen nicht mehr mit meiner Schwester darüber reden, weil sie sofort wütend wird und die Beherrschung verliert.«
    »Was würdet ihr sagen«, fragte Suad in die Runde, »wer ist der Sieger?«
    Man spürte, welche Spannung in der Luft lag. Die Zuhörer schienen peinlich berührt, aber nicht lange.
    »Hört zuerst noch meine Geschichte«, mischte sich nämlich Adnan jetzt ein, ein stämmiger Mann, der erst vor zwei Jahren mit Frau und Tochter in das Haus eingezogen war. Die Familie war schnell von den Nachbarn akzeptiert worden, die bald schon merkten, dass Samia und Adnan gegen den Willen ihrer Sippen eine Liebesehe geschlossen hatten. Nie kam einer aus Samias oder Adnans Familie zu Besuch. Nie sprach ihre Tochter Latifa von den Großeltern. Adnan hatte nach Jahren der Schufterei in Saudi-Arabien einen alten Lastwagen gekauft, mit dem er Obst und Gemüse aus den Gärten von Damaskus nach Jordanien, in den Libanon und den Irak transportierte. Die Damaszener waren schon immer gute Händler gewesen, und so hatte Adnan stets genug Aufträge. Samia, seine Frau, eroberte schnell die Herzen der Nachbarn, weil sie eine begnadete Gesangsstimme hatte, und wenn sie sich vergaß und in ihrer Küche zu singen begann, schalteten die Nachbarinnen die Radios aus und lauschten der schönen Stimme. Tochter Latifa war als Mädchen blass und zu ruhig. Man vergaß fast, dass sie auch da war. Adnan war seinerseits immer freundlich zu uns Kindern und beschenkte die Nachbarinnen und Nachbarn mit Parfum, Schokolade, Kaugummi und Zigaretten. Alles Schmuggelware. Ich liebte die Schokolade aus der Schweiz, die er ab und zu aus Beirut mitbrachte. Sie schmeckte ganz besonders, vor allem bei der Vorstellung, welche Reise diese Tafel Schokolade gemacht hatte, bevor sie auf meiner Hand landete. Das Papier faltete ich zu einem Lesezeichen, das Silberpapier faltete meine Schwester zu winzigen Booten und Drachen. Sie kaute wie alle Mädchen im Haus nur noch geschmuggelten amerikanischen Kaugummi.
    Ich dachte, der Mann kennt alle Straßen der Welt, alle

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