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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Miststück. Macht dir doch nichts aus, wenn ich das mal so sage, oder? Ich meine es ganz liebevoll.« Er fängt langsam an, sich angetrunken zu verhalten, aber von zwei Bier kann das nicht kommen. Er muss schon vorher ein paar gezischt haben.
    »Wie ist es denn?«
    »Es ist nichts Besonderes, Kleines. Ich enttäusche dich ja nur sehr ungern. Ein Wal ist auch nur ein Tier, ein großes Tier. Groß wie nur was. Du wirst ja sehen. Und das Blut, warmes Blut, jede Menge Blut. Für dich wird es vielleicht eine große Sache sein. So wie die reichen Typen den Höhlenmenschen in sich ent­decken und dann ganz aufgeregt sind deswegen. Sie drehen ­Videos, und die zeigen sie sich gegenseitig, das ist ziemlich abgefuckt. Für mich ist es einfach nur ein Job. Ich mach’s, damit ich meine Hypothek bezahlen und meinen Kids iPads kaufen kann. Und ich helfe meinem Arbeitgeber über eine Durststrecke, schätze ich. Ich bin ein loyaler Mitarbeiter.« Er lacht über seine Unaufrichtigkeit, sieht zur Bar hinüber, lässt den Blick auf einer eleganten Frau ruhen, die dort sitzt.
    Ich denke an meine neue Minolta. Ich habe damit geübt, und sie hat mein Herz erobert. Ich brauche nur ein paar Minuten des Massakers im gleichen Frame wie irgendwelche identifizier­baren Merkmale des Schiffes sowie, falls ich das hinkriege, ein oder zwei Gesichter.
    »Du siehst aus, als würde dich etwas beschäftigen«, sagt Johnny.
    Ich lächle, klaube den Limonenschnitz aus meinem Glas. »Das hier ist gut gegen Skorbut, stimmt’s?«
    »Skorbut wird’s auf dieser Fahrt nicht geben, Kleines. Das verspreche ich dir.«
    »Wann legen wir ab?«
    »Wir? Nein, nur du. Ich werde bei dieser Fahrt nicht dabei sein.«
    »Was?« Ich schrecke zurück. Das habe ich nicht erwartet. »Ich dachte, du würdest …«
    Er wirkt ziemlich amüsiert über meine Verwirrung und, ich kann’s auch gleich zugeben, meine Bestürzung. Mir wird klar, dass ich wohl dachte, Johnnys Anwesenheit an Bord wäre so ­etwas wie ein Sicherheitsnetz für mich. Ein alberner Gedanke von der Sorte, an die man sich gern klammert, selbst wenn man gar nicht weiß, wieso eigentlich.
    »Oh, richtig«, sage ich beiläufig. »Du wolltest ja nach Michigan zu deinen Schwiegereltern.«
    »Also, der Ausflug ist sogar verschoben worden. Nein, ich muss mich hier in Beantown um Geschäfte kümmern, die nicht warten können.«
    »Wirklich? Hört sich wichtig an.« Geht’s darum, Russell Parnell zu finden , frage ich mich, oder ist es etwas völlig Harmloses?
    »Oh, das ist es. Das kann ich dir versichern. Aber keine Angst, du wirst in guten Händen sein. Abreise ist Freitag um fünf Uhr morgens vom Fish Pier. Ich werde alles vorbereiten.« Er gibt der Kellnerin zu verstehen, dass er ein weiteres Bier möchte, und dreht sich dann mit einem jungenhaften Lächeln zu mir um. »Übrigens, es wartet eine Überraschung auf dich.«
    »Weiß aber nicht, ob ich mit zu vielen Überraschungen klarkomme, Johnny.«
    Kurzes Augenzwinkern. »Keine Sorge, Pirio. Du kannst mir vertrauen.«
    Inzwischen ist meine Bluse völlig durchgeschwitzt, und das in meinen Ohren pochende Blut klingt wie eine ganze Stampede. »Was ist das für eine Überraschung, Johnny?«
    »Du wirst schon sehen.«
    »Okay. Danke für die Drinks.« Ich brauche jetzt unbedingt frische Luft.
    »Musst du los? So früh?«
    »Ja, ich muss noch wo hin.«
    »Alles okay bei dir?«
    »Alles bestens, ja.« Ich stehe auf.
    »Warte. Lass mich dich ansehen.« Sein Blick ist lang und leer.
    »Was machst du da, Johnny? Du benimmst dich komisch.«
    »Lebe wohl, Pirio.«
    Draußen blinzle ich gequält in Autoscheinwerfer, die Neonreklamen. Ich hole tief Luft, aber ich entspanne mich nicht. Ich gehe an einem hell erleuchteten gläsernen Foyer vorbei, in dem eine Uhr an der Wand zehn nach zehn anzeigt. Wie viele Stunden und Tage wird es noch dauern, bis das alles vorbei ist? Ich weiß es nicht. Aber ich höre das Ticken der Zeit. Es ist, als wäre gerade eben, irgendwo in der sich beschleunigenden kosmischen Entropie, eine Sanduhr mit meinem Namen darauf umgedreht worden.

Kapitel 22
    D ie wunderschönen Klänge von Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 dringen durch die geschlossenen Türen von Milosas Arbeitszimmer. Es ist der Schluss des berühmten zweiten Satzes, Andante – elegisch, himmlisch. Wenn es einen Gott gibt, dann hat er diese Melodie Mozart direkt eingegeben. Ich vermute, Milosa genießt noch die letzten Noten, daher warte ich, bis ihr Echo verklingt, bevor ich

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