Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
Vom Netzwerk:
Spiel beginnt.
    Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln lege ich mit meiner Nummer los. Benehme mich ganz natürlich, baue ein paar ­Lacher und einige tief empfundene Seufzer ein. Die Logik meines Vorschlags entfaltet sich in aller Ruhe. Meine verschiedenen Beweggründe offenbaren sich nach und nach. Ich achte darauf, nicht zu viel zu erklären. Johnny erwartet von mir nicht, vernünftig zu sein, er mag auch keine vernünftigen Menschen. Er hat sich immer die Freiheit genommen, auf das zu ­reagieren, was ihn ruft, seien es Frauen oder Wale, und er versteht andere, die auch so ticken. Aber vormachen lässt er sich nichts.
    Als ich fertig bin, sagt er mit einem schiefen Grinsen: »Ich wusste ja schon, dass du das Fischen magst, aber ich muss zugeben, das hab ich jetzt nicht erwartet. Aber, scheiße, überraschen tut’s mich nicht. Immer noch verrückt, nach all den Jahren, stimmt’s? Von wem ist das noch mal? Bob Dylan?«
    »Paul Simon.«
    »Ja, genau. Hab ihn nie gemocht. Aber du, du bist mir eine. Hast mehr Eier in der Hose als die Hälfte der Kerle, die ich kenne. Aber jetzt mal im Ernst. Willst du das wirklich machen? Bist du sicher?«
    »Deshalb bin ich hier. Du kannst das doch für mich deichseln, oder nicht?«
    »Aber sicher doch.« Er nickt mit Nachdruck, um seinen Einfluss zu unterstreichen. »Ein paar der Jungs könnten überrascht sein, dich zu sehen, aber ich werde ihnen einfach sagen, du warst dicke mit Rizzo, ich würde dich schon eine Ewigkeit ­kennen und so weiter. Bis vor ein paar Monaten hatten wir noch eine Frau in der Besatzung. Eine große, kräftige Lesbe namens Abby, aber die ist runter nach Florida umgezogen. Flabby Abby haben wir sie immer genannt. Du kannst doch kochen, oder?«
    Ich nicke. Ich trage eine sehr enge Jeans, sehr hochhackige Stiefel und einen sehr tief ausgeschnittenen Pullover. Billiger und verführerischer krieg ich’s nicht hin, ohne dass in mir das Verlangen wächst, mich zu übergeben.
    »Was ist mit Dustin Hall? Muss er nicht auch einwilligen?«, frage ich.
    »Nee. Das ganze operative Tagesgeschäft überlässt er mir. Alles, vor allem die Besatzung. Ich weiß, wem man trauen kann und wem nicht. Meine Jungs sind mir gegenüber loyal, sogar Käpt’n Lou. Hall geht ihnen voll am Arsch vorbei. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, Jaeger und den sogenannten Gästen in den Hintern zu kriechen. Jagdklub, so nennen sie das. Wie ein Haufen britischer Schwuchteln. Warte, bis du sie siehst. Nicht einer von denen ist normal in dem Sinne, wie du oder ich den Begriff definieren würden. Hall ist denen auch scheißegal. Sie sind superreich, er ist nur irgendwie reich. Wir Typen da unten, wir sind alle gleich. Da, wo wir sind, ist Platz für alle.« Er trinkt einen Schluck Bier, wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab.
    Ich habe das Gefühl, da kommt noch mehr. Also warte ich.
    »Hall, meine Güte. Der Typ hat auf dem Meer nichts zu suchen. Sobald die Dünung mal höher als ein Meter ist, wird er grün im Gesicht. Hat immer eine Packung Dramamine in der Tasche und pfeift sich die Pillen ein, sobald er sich unbeobachtet fühlt. Ich wünschte, er würde nicht an Deck kommen, wenn wir arbeiten. Er steht einem nur im Weg. Dauernd nervt er mich mit seiner Fragerei. Wie läuft’s, Oster? Liegen wir im Zeitplan? Haben wir schon Wale gefunden? Ich kann dir sagen, lieber wäre ich so ein beknackter Unberührbarer als diese jämmerliche, nichtsnutzige Spaßbremse.«
    Früher hat Johnny Kurse an der Harvard Extension School belegt, machte aber nie einen Abschluss. Er malte eine Weile und verbrannte dann all seine Leinwände im Suff. Auf einem seiner abstrakten Kunstwerke entdeckte ich mal etwas, das aussah wie ein Typ, der an einem Galgen hängt. Ist das ein Typ, der an einem Galgen hängt?, fragte ich. Weiß der Teufel. Das könnte verdammt noch mal alles sein , antwortete er, richtiggehend erfreut, erwischt worden zu sein.
    Er sieht sich im Halbdunkel des Raums um, findet die Kellnerin, lässt seine Bierflasche zwischen zwei Fingern pendeln, um zu zeigen, dass er noch eine möchte. »Man sollte doch meinen, die würden hier Erdnüsse oder Chips auf den Tisch stellen«, sagt er. Er verlagert seine Position, wechselt das übergeschlagene Bein. Ein kräftiges, muskulöses Bein. Alte Nike-Turnschuhe mit schmutzigen Schnürsenkeln.
    Ich nippe an meinem Mineralwasser. Die ganze Sache fühlt sich irgendwie falsch an. Dass Johnny über Hall herzieht, statt mich anzubaggern. Seine Blicke

Weitere Kostenlose Bücher