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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Tage vor seinem Tod hat er für deine Mutter ein paar Dinge in eine Schachtel gelegt. Ich sollte sie ihr geben, falls sie jemals zurückkommen würde.«
    »Meine Mutter ist vor zwanzig Jahren gestorben«, sage ich mit einem Anflug von Gefühllosigkeit. »Wusste er das nicht?«
    »Nein.« Martin sieht erschüttert aus.
    »Aber er muss doch eine Adresse gehabt haben.«
    »Er sagte, das hätte sie nie gewollt. Sie durften nur zusammen sein, solange sie hier war.«
    Das klingt ganz nach Isa. Die Bedingungen und das Sichzurückziehen, die Spiele. Sie würde es nicht riskieren, ein Opfer der Liebe zu werden, obwohl es mir immer so vorkam, als ob sie genau das war.
    »Aber er hätte sie doch in dem ersten Sommer, als sie nicht zurückkam, anrufen können«, sage ich gnadenlos.
    »Wen denn? Wen sollte er denn anrufen?« Jetzt ist Martin ebenfalls wütend, hat sich aber im Griff. »Er hat einfach nur weiter auf das Haus aufgepasst.«
    In bedrückendem Schweigen sitzen wir da.
    »Wo ist deine Mutter?«, frage ich schließlich.
    »Sie ist gegangen, als ich noch ein Kind war. Mein Vater hat mich allein großgezogen.«
    »Es gab niemanden sonst?«
    »Nur sie. Einen Monat im Jahr. Dann kehrte sie zu deinem Vater zurück und ließ meinen Vater allein«, sagt er verbittert, und ich begreife, dass wir uns beide irgendwie betrogen fühlen.
    Matilda in ihrem Hochstuhl lässt Pasta auf den Boden fallen und beugt sich weit vor, weil sie sehen möchte, wohin die Nudeln verschwunden sind. Tiffany betrachtet ihren Teller.
    »Also dann.« Martin stößt ein tiefes, abschließendes Seufzen aus, auch wenn nichts wirklich ausgestanden ist. Er legt die Handflächen auf den Tisch und drückt sich hoch. »Also dann gebe ich dir jetzt, was er ihr hinterlassen hat.«
    Ich bin drauf und dran zu sagen, ich will es nicht. Dass sie es mir gar nicht hätten erzählen sollen. Dass ich keine Beweise haben möchte, was auch immer zwischen den beiden war. Dass was für meine Mutter bestimmt war, nicht in meine Hände gehört. Dass Isa und Roger beide weitergezogen sind, und das sollten wir ebenfalls tun. Diese Reaktion ist natürlich pure Feigheit. Angst davor, die tiefere Wahrheit über das Herz meiner Mutter zu erfahren, die ich doch immer hatte wissen wollen.
    Tiffany lässt uns allein und bringt Matilda ins Bett, und Martin und ich gehen ins Wohnzimmer. Er holt eine Schachtel von einem Bücherbord und stellt sie vor mich auf den Couchtisch. Es ist ein rotes Zedernholzkistchen mit einem dazu passenden schwarzen Deckel. Die Silhouette eines Fisches und das strenge Schnabelgesicht eines Vogels sind in Schwarz und Grün auf die Seiten gemalt. Martin sitzt mir gegenüber, als ich es öffne. ­Darin liegen ein gefalteter Brief, alte Fotos, ein Schnitzmesser und ein kleines, braunes Fläschchen. Mit zitternden Händen falte ich das Papier auseinander. Liebe Isa, ich habe gewartet, aber Du bist nicht zurückgekommen, und jetzt muss ich gehen. Du bist das größte Geschenk, das mir in diesem Leben gemacht wurde. Behalte meine Liebe immer ganz nah bei Dir, glaube von ganzem Herzen an sie, selbst wenn ich fort bin. In endloser Liebe, Roger.
    Ich schlucke ein paarmal und nehme die Fotos heraus. Kodak-Schwarzweißaufnahmen mit Knicken und Rissen vom vielen Anfassen. Namen und Daten auf der Rückseite. Das erste zeigt Roger selbst, Kopf und Schultern, im Alter von Anfang zwanzig, breit lächelnd aus der mit Pelz verbrämten Kapuze eines Parkas. Schneegestöber und diffuses Licht lassen die Umgebung verschwinden. Seine Haut ist glatt und weich, die Lippen voll, und er lässt sich einen kleinen Oberlippenbart stehen. Er sieht glücklich aus, und freundlich. Der Zahn ist noch nicht angeschlagen.
    Das nächste zeigt Roger und Isa auf den Eingangsstufen des Architektenhauses. Sie lächeln verträumt, ihre Oberschenkel berühren sich leicht, sie sind anscheinend überrascht worden von der Kamera eines Besuchers. Meine Mutter trägt alte Kleidung, kein Make-up. Ihre Haut glüht, und ihre Augen sind warm und freundlich.
    Das nächste Bild zeigt Isa und mich im Wald. Isa trägt ein fröhliches Kopftuch, das sie unter dem Kinn verknotet hat, und eine große Sonnenbrille. Ihr Lächeln ist selbstbewusst, ihre Haltung ungezwungen, sportlich. Ich bin etwa fünf oder sechs Jahre alt, trage T-Shirt und eine kurze Hose, unter der man stämmige, vor Schmutz starrende Beine sieht. Ich schaue finster und kampflustig in die Kamera, einen Strauß Blumen in der Hand.
    »Ich weiß nicht, was

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