Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
internationalen Gesetzgebung, oder etwa nicht?«
Er schnaubte abfällig.
»Natürlich«, sagte sie, »hättest du auf diesem Weg keine fünfundzwanzig Millionen Euro einsacken können.«
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Ein endlos langer Güterzug ratterte langsam über die Brücke, die über die Schlucht führte.
»Und wie sah dein erster Schritt aus? Und wann war das?« Allmählich gelang es Kate, Dexters Verhalten von ihrer Wut und ihrem Gefühl, verraten worden zu sein, zu trennen und sich auf seine Seite zu schlagen. Oder zumindest zu versuchen, die Dinge aus seiner Perspektive zu betrachten.
»Vor etwa anderthalb Jahren habe ich eine Firma, eine société anonyme, ins hiesige Handelsregister eintragen lassen, eine Investmentfirma. Und ich habe ein Nummernkonto eröffnet. Außerdem habe ich angefangen, sämtliche Aktivitäten des Colonel ganz genau zu beobachten. Ich habe seine Konten, seine verschiedenen Transfers überwacht, um zu sehen, welche Gelegenheiten infrage kämen und wie ich sie nutzen könnte.«
»Und wie hast du das angestellt?«
»Auf einer seiner Geschäftsreisen nach Mailand hat er mit seinem Laptop einen Access Point im Hotel für eine Onlineüberweisung benutzt. Das verschaffte mir die Gelegenheit, ein Programm auf seiner Festplatte zu installieren, mit dem ich sämtliche Seiten nachvollziehen konnte, auf denen er war. Jeden Abend um vier Uhr früh Greenwich-Zeit mailte mir das Programm eine Übersicht über die Seiten, die er während der vergangenen vierundzwanzig Stunden aufgerufen hatte. Natürlich lieferte es mir keine Passwörter oder so, aber ich konnte zumindest sehen, was er tat. Und meine Truppen in Stellung bringen. Dann, Anfang August, also vor einem halben Jahr, war es so weit. Alles war vorbereitet. Beinahe. Aber zuerst musste ich sichergehen, dass ich es auch wirklich tun kann.«
»Wie denn?«
»Mit einem Test. Ich habe ständig die Firewalls von Banken gehackt. Auf einer dieser Banken, in Andorra, deponierte eine Anwaltskanzlei regelmäßig Fondsgelder, bevor die Beträge an die Kunden ausbezahlt wurden. Das Hauptgeschäft dieser Kanzlei bestand jedoch daraus, die Interessen einer Versicherung zu vertreten – einer Krankenversicherung. Vor ein paar Jahren vertrat genau diese Kanzlei nicht nur besagte Versicherungsgesellschaft in einem Prozess, sondern machte am Ende auch noch den Kläger für die Bezahlung des Honorars in Höhe von anderthalb Millionen Dollar haftbar. Der Gipfel der Ungerechtigkeit, wenn du mich fragst. Ein Drittel der Gesamtsumme, die auf dem Konto in Andorra lag, behielten sie, den Rest überwiesen sie an ihren Mandanten, die Versicherung. Besser gesagt, sie versuchten es.«
»Eine Million Dollar. Die du gestohlen hast?«
»Genau. Hast du eine Ahnung, wer diese Krankenversicherung war?«
Kate dachte einen Moment nach, obwohl ihr die Antwort auf die Frage völlig irrelevant erschien. Doch dann dämmerte ihr, dass sie es keineswegs war. Sie hatte lange keinen Gedanken mehr an diese Versicherung verschwendet. Zwanzig Jahre lang.
»American Health«, murmelte sie. In ihrer Jugend war es eine von Kates Hauptbeschäftigungen gewesen, mit dieser Versicherung zu korrespondieren: Anträge auszufüllen, um Termine zu bitten, zu betteln und zu flehen und zu appellieren, dass es doch ihre Pflicht sei, die Kosten für die Behandlungen ihres Vaters zu übernehmen, obwohl sie im Kleingedruckten des Vertrages behaupteten, sie seien nicht dazu verpflichtet. »Du hast AmHealth eine Million Dollar gestohlen.«
»Eine schmutzige Million Dollar. Geld, das rechtmäßig jemandem wie deinem Vater zugestanden hätte. Oder jemandem wie dir. Die Klägerin war eine Frau, die die Versicherung im Namen ihres toten Vaters verklagt hatte.«
»Das war dein Test?«
»Wieso sollte das Versuchskaninchen nicht auch böse sein?, dachte ich mir. Und es hat funktioniert. Damit war ich bereit, mir den Colonel vorzuknöpfen.«
»Das war zu der Zeit, als wir herkamen.«
»Ja.«
»Okay«, sagte sie und beugte sich vor. Allmählich ergab all das einen Sinn. »Erklär mir, wie du das angestellt hast.«
29
Dexter mochte nicht genau der Mann sein, für den Kate ihn gehalten hatte, aber mit jeder Minute wurde klarer, dass sie sich doch nicht so grundsätzlich in ihm getäuscht hatte wie befürchtet.
»Als Erstes«, sagte er, »brauchte ich einen besseren Zugriff auf den Computer des Colonel. Deshalb habe ich jemanden engagiert, der mir hilft. Eine junge Frau in London.«
Eine Woge der Erleichterung erfasste
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