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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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immer.
    Bevor sie die Jungs am frühen Nachmittag von der Schule abgeholt hatte, war sie allein zu Hause gewesen und hatte sich um den Haushalt gekümmert. Sie hatte die Wäsche gewaschen und auf die Leine gehängt, eingekauft und das Badezimmer geputzt. Die Fliesen im Badezimmer und der Küche waren von einer dicken, unappetitlichen Kalkschicht bedeckt, wie in einem verwaisten antarktischen Forschungszentrum. Sie musste dringend einen anständigen Entkalker oder Bleiche besorgen. Am besten gleich beides. Also war sie zum nächsten hypermarché gefahren – einem Laden, der so viel größer war als ein gewöhnlicher Supermarkt, dass er das Kürzel hyper verdiente –, nur um festzustellen, dass die Etiketten ausnahmslos auf Deutsch oder Französisch waren und ein Vokabular umfassten, das sie weder in ihrem Blitz-Vorbereitungskurs vor dem Umzug noch in ihrem Berlitz-Sprachkurs gelernt hatte, den sie zweimal wöchentlich besuchte, und das sie auch garantiert niemals lernen würde.
    Kate war wieder nach Hause gefahren, um ihr Wörterbuch im Taschenformat zu holen, ehe sie sich erneut auf den Weg zum Markt gemacht hatte, wobei sie in einen Stau geraten war, weil mehrere Dutzend Traktoren die Straße blockiert hatten, um gegen irgendetwas zu protestieren. Alles in allem hatte sie zwei Stunden gebraucht, um ein Reinigungsmittel für vier Euro zu kaufen.
    Aber sie konnte sich nicht beklagen. Dafür war sie nicht in der Position, zumindest noch nicht. Und wahrscheinlich würde sie auch niemals an diesen Punkt kommen. Sie hatte für diesen Umzug gestimmt und ihrem Mann signalisiert, dass sie sich hier ganz bestimmt wohlfühlen würde. Deshalb konnte sie jetzt nicht jammern.
    »Ja«, sagte sie, »ist nicht so übel.«
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    Kate war eine naheliegende Kandidatin gewesen: Sie hatte sich entschlossen, in D. C. aufs College zu gehen, womit sie geradezu prädestiniert für eine Karriere im öffentlichen Dienst war. Sie studierte nicht nur Politikwissenschaften, sondern auch Spanisch, und zwar zu einer Zeit, in der von lateinamerikanischen Staaten die größte Bedrohung ausging. Ihre Eltern waren beide tot, und sie pflegte auch keine besonders enge Beziehung zu anderen Familienmitgliedern, genauer gesagt, zu überhaupt niemandem. Und sie konnte mit einer Waffe umgehen: Ihr Vater war Jäger gewesen, und Kate hatte mit elf Jahren zum ersten Mal ein Repetiergewehr abgefeuert.
    Sie passte perfekt ins Anforderungsprofil. Ihr einziger Minuspunkt bestand darin, dass sie nicht gerade eine Vorzeigepatriotin war. Sie fühlte sich vom Staat verraten, der ihre kranken Eltern gnadenlos im Stich gelassen hatte – im Grunde war ihr Tod schlicht der Tatsache zuzuschreiben, dass sie arm gewesen waren. Der Kapitalismus kennt keine Gnade. Amerikas soziales Netz wies erschreckende Lücken auf, mit dem Ergebnis, dass das System manchmal mit geradezu barbarischer Härte zuschlug. Die zwölfjährige Hegemonie der Republikaner hatte die gesellschaftlichen Unterschiede nur noch verschärft, und Bill Clinton hatte bisher nicht viel mehr getan, als das Wort Hoffnung in die Welt hinauszuschmettern.
    Doch sie behielt ihren Groll für sich, wie so ziemlich alles andere auch. Sie hatte niemals einen wütenden Brief an ihren Senator geschrieben oder irgendeine andere Schmähschrift verfasst. Sie hatte weder an Gewerkschaftsstreiks noch an Protestmärschen teilgenommen, wofür oder wogegen sie auch immer gewesen sein mochten. Es waren die frühen Neunziger, eine Ära, in der es kaum politischen Aktivismus gab, in den man sich wider besseres Wissen hineinziehen lassen konnte.
    Im Frühling ihres dritten Studienjahrs lud ihr Professor für Internationale Beziehungen Kate auf einen Drink ein. Er lehrte seit Jahren am College und klopfte die Studenten nebenbei, wie Kate später noch erfahren sollte, auf ihre Eignung für eine spätere Agentenkarriere ab. Eine Woche später trank sie mit ihm einen Kaffee in der Cafeteria, wo er sie bat, ihn später in seinem Büro aufzusuchen. Es sei gerade ein Regierungsvertreter da, um geeignete Praktikanten zu engagieren. Eigentlich würden Studenten im Abschlussjahr bevorzugt, manchmal kämen allerdings auch jüngere Kandidaten in Betracht.
    Kate schien perfekt für ihre Zwecke geeignet zu sein, weil sie es tatsächlich war. Im Gegenzug war die CIA perfekt für Kate. Bislang hatte ihr Leben aus einer langen Reihe von Enttäuschungen bestanden, lediglich durchbrochen von flüchtig aufblitzenden Chancen, der Trostlosigkeit zu

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