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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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konzentriert den Erklärungen aus dem Kopfhörer.
    Ein einzelner Mann hatte sich mit seinem Wollmantel über dem Arm vor da Vincis Jungfrau und Kind postiert.
    Durch die massiven Fenster fielen die letzten Sonnenstrahlen. Sie sah auf ihre Uhr. 15:58 Uhr.
    Kate betrat den Ausstellungsraum im hinteren Teil des Gebäudes, wo sich ein gewaltiger Rubens an den anderen reihte. Der sterbende Seneca , das den Philosophen verblüffend muskulös zeigte, Die Löwenjagd , brutal und barbarisch, und das größte Gemälde, Das Große Jüngste Gericht , eine wilde Ansammlung von nackten Leibern.
    »Unglaublich, nicht?«
    Sie sah zu dem Mann mit dem Mantel über dem Arm hinüber. Er war groß und schlank, trug ein Jackett mit Einstecktuch, eine Flanellhose, Krawatte und Wildlederschuhe. Er hatte sorgfältig frisiertes graues Haar und trug eine Hornbrille. Sein Alter ließ sich schwer schätzen, irgendwas zwischen fünfzig und sechzig. Mindestens.
    »Ja.« Sie richtete den Blick wieder auf das riesige Gemälde.
    »Es war eine Auftragsarbeit für einen Altar in Neuburg an der Donau in Oberbayern. Aber die Leute – die Priester, genauer gesagt – waren nicht gerade begeistert von all dem nackten Fleisch«, erklärte er. »Deshalb hing das Gemälde nur ein paar Jahrzehnte dort, häufig sogar verhüllt, damit es keiner sehen konnte.«
    »Danke«, sagte sie. »Das ist sehr interessant.«
    Sie sah sich im Saal um. Außer ihnen war niemand hier. Im angrenzenden Raum schlenderte ein Wachmann herum, sorgsam darauf bedacht, eine Familie mit zwei kleinen, etwas wild wirkenden Jungen im Schulalter im Auge zu behalten.
    »Na ja, eigentlich ist es nur halbwegs interessant. Höchstens eine Vier. Mit viel gutem Willen.« Der Mann lachte. »Schön, dich zu sehen, meine Liebe.«
    »Finde ich auch. Ist lange her.«

14
    »Und, lebst du immer noch gern in München?«, fragte sie. »Du bist ja schon … eine halbe Ewigkeit hier.«
    Wieder lachte Hayden. In Europa war er tatsächlich schon ewig, er hatte praktisch seine gesamte berufliche Laufbahn dort verbracht. Als der Kalte Krieg einen seiner letzten Höhepunkte erlebte, war er in Ungarn und Polen gewesen und während der Aufrüstung unter Reagan, des Aufstiegs Gorbatschows, des Zusammenbruchs der UdSSR und der Wiedervereinigung Deutschlands dann in Bonn, Berlin und Hamburg. Die Geburtsstunde der EU und die Einführung des Euro hatte er in Brüssel erlebt, und während der gesamte Kontinent auf den wachsenden muslimischen Einfluss reagierte und ein neuer Nationalismus aufbrandete, hatte er wieder in Deutschland gelebt.
    Als Kate der Firma beigetreten war, hatte es die Berliner Mauer bereits nicht mehr gegeben. Lateinamerika war die Zukunft, obwohl die Sandinisten längst geschlagen waren und Clinton die Entspannung der diplomatischen Beziehungen mit Castro anstrebte. Damals hatte es nicht den Eindruck gemacht, als betrete sie die Szenerie mitten im letzten Kapitel. Die hässliche Iran-Contra-Affäre lag hinter ihnen, die kommunistische Gefahr schien gebannt, und vor ihnen schien eine Zukunft zu liegen, von der Amerika nur profitieren konnte.
    Und genau so war es auch gewesen. Doch mit jedem Jahr, das sie länger der Firma angehörte, war ihr Gefühl gewachsen, immer nutzloser zu werden. Ein bedrückendes Gefühl der Ineffizienz hatte sie erfasst, das durch die Ereignisse des 11. September noch verstärkt worden war, denn damals war die Frage, wer Bürgermeister von Puebla werden würde, an Bedeutungslosigkeit wohl kaum zu überbieten gewesen. Obwohl die CIA bereits am 12. September ihre Mission umformuliert und sich auf ein neues oberstes Ziel geeinigt hatte, war es Kate nie wieder gelungen, den Glauben an ihre Bedeutung für die Sicherheit ihres Landes wiederherzustellen.
    Und während all der Jahre war Hayden stets hier in München gewesen.
    »Mir gefällt es in München«, sagte er. »Komm, ich zeige dir ein paar kleinere Gemälde.«
    Kate folgte ihm in einen ruhigen Raum in der Nähe des Eingangs. Er ging an den Gemälden vorbei ans Fenster. Sie folgte seinem Blick und sah einen Mann, der auf dem leeren Vorplatz des Museums an einem Laternenmast lehnte und eine Zigarette rauchte. Und zu den Fenstern hinaufsah. Zu ihnen.
    »Wie hat dir die Romantische Straße gefallen? Die Kinder müssen von diesem albernen Neuschwanstein doch restlos begeistert gewesen sein. Wie alt sind sie jetzt?«
    »Vier und fünf.«
    »Wie die Zeit vergeht.« Obwohl Hayden selbst keine Kinder hatte, war ihm bewusst,

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