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Die Frau, die zu viel fühlte - Roman

Die Frau, die zu viel fühlte - Roman

Titel: Die Frau, die zu viel fühlte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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sie es und wirkte noch verlorener als sonst, wenn sie sich etwas Zeit ließen, ihr für diese oder jene Arbeit zu danken. Die Arbeit war für sie mehr als nur eine lästige Pflicht, die man am besten hinter sich brachte … Manchmal sagte sie etwas ganz Selbstverständliches wie etwa »Ich wasche das Geschirr« oder »Heute ist es zu nass, um spazieren zu gehen«. Aber das war’s dann auch schon wieder.
    Schwester Boniface, die Oberschwester des Heims, war sofort einverstanden gewesen, Julie aufzunehmen, damit sie dort ihr Kind bekommen konnte. Sie brachten sie mehrmals dorthin, um sie daran zu gewöhnen. Es war ein weiterer Ort, wo die Menschen nett zu ihr waren. Schwester Boniface und die anderen Nonnen hatten nicht den geringsten Zweifel. Sie bekam ein kleines Zimmer für sich. Sie konnte beim Putzen oder in der Küche helfen. Das wäre eine zusätzliche Segnung, sagte Schwester Boniface.
    Sie hatten für Bücher und einen CD-Player in ihrem Zimmer gesorgt. Sie hängten ihr zwei Reproduktionen an die Wand: einen Botticelli und einen Fra Lippo Lippi. Sie schien sich mit ihrem Umzug augenblicklich abgefunden zu haben. Es gab keinen innigen Abschied. Sie öffneten die Arme, um sie zu drücken, aber sie kam nicht auf sie zu. Also gingen sie zu ihr und hielten sie zärtlich zwischen sich. Es machte sie froh, lange so gehalten zu werden, und sie schaute von einem zum anderen mit einem Ausdruck, den sie nicht interpretieren konnten. Es war keine Leere. Es war keine Gleichgültigkeit. Sie lächelte. Aber es lag keine Liebe darin. Keine Angst vor der Trennung. Da war ein flüchtiger Ausdruck der Sehnsucht, als wollte sie mehr, als sie hier finden konnte. »Vielleicht haben wir uns das nur eingebildet«, sagte Elizabeth. »Ich konnte meine Tränen nicht vor ihr verstecken.« »Ja«, fügte Gerald hinzu. »Aber dann hat sie sehr kurz die Hand gehoben und dir eine Träne von der Wange gewischt, nicht, Darling?« Sie nickte. »Unglücklichsein mochte sie nicht.« »Ja«, erwiderte er. »Das ist es. Wenn sie auf den Strand hinunterschaute, hatte sie dasselbe Lächeln, weil sie in der Entfernung andere glücklich sah.«
    Sie besuchten sie einmal im Monat. Sie schien sich zu freuen, sie zu sehen, aber so, als kämen sie jeden Tag. Sie saß da mit den Händen auf dem Bauch und schaute ab und zu auf ihn hinunter. Genau das wollte sie sie sehen lassen. Es war, als hätte sie beschlossen, dass es das Kind der Currys sein sollte. Oder sie wollten es zumindest glauben. Schwester Boniface sagte nur, was für ein wunderbarer Mensch sie sei und was für eine große Gnade es sei, dass in ihrer Mitte ein Kind geboren werde. Es fiel kein Wort darüber, dass Julie und ihr Kind in der Obhut des Herrn seien. So war einfach der natürliche Lauf der Dinge. »Wir warteten auf selbstgerechte Worte«, sagte Gerald. »Aber es kamen keine. Kein einziges.« »Ich schätze, sie alle wussten, dass keiner von uns gläubig war«, erwiderte Elizabeth, »ich bin vom Glauben abgefallen, wenn auch vielleicht nicht ganz.«
    Sie wollten mich wissen lassen, dass das alles gar nicht so wichtig war. Ich hatte leicht verwundert den Kopf geschüttelt. Vielleicht dachten sie, ich würde die Konstellation missbilligen, weil ich ein antireligiöses, bezahltes Mitglied der Dawkins-Brigade sei. Dass sie schlecht gehandelt hätten, indem sie Julies Ungeborenes in die Obhut solcher Betrüger gegeben hatten. Gerald fragte, ob ich vielleicht gläubig sei. Wieder schüttelte ich den Kopf und sagte dann: »Aber ich habe keine Ahnung, was das mit so offensichtlicher Güte zu tun haben soll.«
    »Als das Baby auf die Welt kam, war es ganz einfach«, sagte Elizabeth. »Er war die Vollkommenheit selbst, von Anfang an.« Gerald unterbrach sie. »Wir waren kinderlos, wissen Sie. Wir wollten Kinder, verzweifelt. Doch das sagten wir einander kein einziges Mal. Wir beteten, tut mir leid, das ist das falsche Wort, dass Julies Kind unseres wäre. Wir konnten uns selber nicht eingestehen, dass wir es ihr wegnehmen wollten. Aber das war auch nicht nötig …«
    Schwester Boniface war bei der Geburt dabei gewesen. Sie sagte ihnen nur, dass es keine großen Schmerzen gegeben habe, dass das Kind eine Gnade, ein Wunder sei. Falls Julie gelitten hätte, so hätte sie es ihnen vielleicht nicht gesagt – vielleicht wollten sie aber auch mich schonen. Sie hatten gefragt, ob Julie irgendetwas gesagt, ob sie eine Spur von Glück habe erkennen lassen. »Ich kann nicht sagen, ob es Glück war«,

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