Die Frau im Kühlschrank
Staaten nachtrauern?«
»Na ja, es sind ganz andere Dimensionen da drüben.«
»Die endlosen Prärien – vollgepflastert mit Öltürmen? Gehst du vielleicht auch mit Cowboyhut?«
Er grinste sein breites Grinsen. »Nur zu festlichen Gelegenheiten, Veum. Und wie ist es mit dir? Gehst du mit Pudelmütze?«
»Nur sonntags, ab und zu.«
Wir lachten einander höflich an, und er fragte: »Wie ist es – willst du ein Dessert? Wenn ja, empfehle ich – Nußfromage mit Cognacsoße.«
»Das hört sich an, als überstiege es meine finanziellen Verhältnisse.«
»Ich gebe eins aus!« sagte er großzügig.
»Also, vielen Dank, aber – ich bezahl doch lieber selbst.«
»Der perfekte Norweger – unbestechlich, was?«
Wir bestellten, und das Dessert kam, zerschmolz wie echter Karamelpudding im Mund – und hinterließ nichts weiter als ein bitteres Loch im Budget.
Ich ließ ihn ein Glas Cognac zum Kaffee ausgeben. Er war recht gesprächig, und ich hatte nichts anderes vor.
Die Bar begann sich langsam zu füllen. Ich hielt nach Elsa Ausschau, konnte sie aber nicht entdecken. Mehrere von Jonssons Bekannten kamen und setzten sich mit an den Tisch. Einige von ihnen waren Amerikaner, einige Norweger. Schließlich stand ich auf, bedankte mich für die Gesellschaft und ging zurück auf mein Zimmer.
Draußen war es dunkel geworden. Der Nachmittag war verflogen wie Flügelschläge in der Luft, und der Abend türmte sich wie eine schwarze Wand vor mir auf.
Ich zog mich aus und ging unter die Dusche. Ich ließ das Wasser richtig heiß werden und stand völlig still unter dem Strahl. Dann seifte ich mich langsam ein. Die Seife rutschte mir durch die Finger und fiel auf den Boden. Gerade als ich mich hinunterbeugen wollte, um sie aufzuheben, hielt ich inne.
Hatte ich nicht noch ein anderes Geräusch gehört? Oder war es nur das Aufschlagen der Seife auf dem Boden? Ich stand gekrümmt da und sah auf den matten, braun-weiß gestreiften Duschvorhang. War da eine Bewegung?. War jemand dahinter – im Badezimmer?
Es gab eine Möglichkeit, das herauszufinden. Ich richtete mich auf, beugte mich so nah zur Wand, wie ich konnte, und versuchte durch den schmalen Spalt zwischen Duschvorhang und Wand zu spähen. Ich sah nichts.
Vorsichtig schob ich den Vorhang zur Seite. Das Badezimmer war leer.
Im Schutz des Wasserrauschens schlich ich zur Tür, legte den Kopf dagegen und versuchte zu lauschen. Wieder hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß ich etwas hörte – aber ich war nicht sicher. Das Rauschen der Dusche irritierte mich. So behutsam wie möglich bewegte ich die Klinke und lehnte gleichzeitig mein ganzes Gewicht gegen die Tür. Sie rührte sich nicht vom Fleck. Ich versuchte es wieder, stärker jetzt, und nicht mehr vorsichtig. Es half nichts. Etwas versperrte die Tür von außen. Ich war eingesperrt.
20
Einen Augenblick lang stand ich unentschlossen da. Ich warf einen Blick durch den Raum. Er war nach allen Seiten geschlossen, abgesehen von ein paar kleinen Luftschächten. Ich drehte das Wasser ab. Dann stand ich wieder an der Tür und lauschte. Ich hörte nichts. Niemanden, der in meinen Sachen herumwühlte. Niemanden, der redete. Nichts.
Ich griff nach dem dunkelbraunen Frotteehandtuch und trocknete mich ab. Dann band ich es mir um die Hüften. Ich trat ein paar Schritte zurück und lief gegen die Tür, mit der Schulter zuerst. Alles, was passierte, war, daß mir die Schulter weh tat. Ich versuchte, die Tür einzutreten, mit dem entsprechenden Resultat im Fuß.
Ich sah mich um. Das einzig Längliche, was ich sah, war die Zahnbürste, und die war zu dick, um sie durch den Türspalt zu schieben.
Ich begann, mit den Fäusten gegen die Tür zu hämmern. »Hilfe! Hiiiiilfe!« rief ich. »Ich bin eingesperrt! Hiilfee!«
Dann hielt ich inne und horchte. Niemand kam. Niemand antwortete. Ich stellte mich unter den einen Luftschacht und rief nach oben hinein: »Hiiilfeee! Ich bin eingesperrt!« Ich rief auch meine Zimmernummer, für den Fall, daß mich jemand hörte, aber die einzige Antwort war das Rauschen der Klospülung aus der Etage über mir.
Ich hämmerte wieder gegen die Tür und rief um Hilfe, bis ich heiser war. Ich fror und schwitzte gleichzeitig. Die Angst begann, sich in der Magengrube zu sammeln. Das Herz klopfte mir laut in der Brust. Da klingelte das Telefon.
Ich hörte es so deutlich, als stünde es neben mir auf dem Waschbecken. »Hiiilfeee!« rief ich, als ob der Anrufer etwas hören könnte. »Hiiilfeee!«
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