Die Frau im Kühlschrank
fest!« Er riß das Steuer herum, und wir schlitterten durch eine Rechtskurve und dann weiter in Richtung Norden hinaus. »Wenn es wirklich der KGB ist, dann …«
»Was sollte ich sagen, in der Eile? Es sind Schläger aus einem Verbrecherlokal in der Stadt, ich bin …«
»Das genügt. Je weniger ich weiß, desto weniger kann mir passieren.«
Ich blickte noch immer zurück. Wir fuhren kreuz und quer in Richtung Stadt. Zum Schluß hatte ich kaum noch eine Ahnung, wo wir waren. Der Kombi war nicht zu sehen. Wir mußten ihn abgeschüttelt haben.
Erst jetzt hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, was passiert war. Woher hatten sie gewußt, wo ich war? Hatten sie mich beschattet? Konnte es eine Verbindung geben zwischen Ole Johnny und Elsa?
Ich hatte einen Geschmack von Blut im Mund. Der Schweiß auf meinem Körper trocknete langsam, und ich begann zu frieren.
Es mußte Ole Johnny oder einer von seinen Leuten gewesen sein, der mich am Tag vorher angerufen und mir gedroht hatte. Wußten sie wirklich, wer Arne Samuelsen war? Wußten sie, wer die Frau im Kühlschrank war? Fragen türmten sich auf. Und was war mit Carl B. Jonsson? Oder Vivi Anderson? Hatte sie etwas mit der Sache zu tun?
Ich sollte nichts mehr mit der Sache zu tun haben, aber jemand hatte mich eingeschlossen, jemand hatte mir am Telefon gedroht – und jemand hatte versucht, mich zu überfahren. Es wurde nicht gerade angenehmer. Ich hatte irgend jemandem einige Fragen zu stellen, und die einzige, von der ich mir vorstellen konnte, daß sie vielleicht auf einige davon würde antworten können, gerade jetzt, war – Laura Lüstgen.
Ich wandte mich zum Fahrer, gab ihm Lauras Adresse und fragte, ob er mich in der Nähe davon absetzen könnte. Er nickte. Wir waren jetzt im Zentrum. Wir passierten Rogaland Teater zur Rechten. Der neue große Bühnenturm war wie ein Betonbuckel aus dem Theater gewachsen. Das Gebäude war ein für allemal verschandelt.
Vor uns glitzerte Breiavatnet, und die nackten Baumkronen dahinter griffen mit Geisterhänden nach der berühmten Leuchtreklame: Jesus – Licht der Welt .
»Ich muß zurück zur Schule.«
»Ist in Ordnung. Das letzte Stück schaff ich allein. Und vielen Dank – ich mein das wirklich. Du hast …«
»Ist schon gut.« Er lächelte breit. »Und viel Glück – mit dem KGB.« Er winkte kurz und lenkte den Wagen wieder von der Bordsteinkante auf die Straße.
Ich blieb auf dem Gehsteig stehen, direkt vor einem großen Schulhof. Ich sah mich nervös um. Es schien ein ganz gewöhnlicher Donnerstagmorgen zu sein. Unten auf dem Torg herrschte reges Treiben, und Alexander Kielland stand mit dem Rücken zu mir und hielt vergebens nach den alten Segelschiffen Ausschau. Das einzige, was er sah, war die Statfjord-B-Plattform.
Kein großer Wagen steuerte auf mich zu. Niemand kam mir mit schweren Schritten entgegengelaufen. Der Wind kam kalt und scharf vom Fjord herein und ließ mein Haar flattern. Ich beugte den Nacken und ging über die Straße.
Im Schutz der hohen Blocks im Zentrum erreichte ich die kleine Seitenstraße und das alte Gebäude, in dem Laura Lüstgen wohnte.
Drinnen im Hof hatte noch niemand das alte Lastwagenwrack weggeräumt. Ich starrte es mißtrauisch an, als könnte es plötzlich zu brüllen anfangen oder mir tanzend entgegenkommen. Der letzte Tag hatte mich nervös gemacht. Ich sah mich um und lehnte mich gegen die ungestrichene Eingangstür.
Sie öffnete sich ein kleines Stück. Dann stieß sie gegen etwas. Ich stutzte. Dann stemmte ich die Schulter wieder gegen die Tür und preßte sie nach innen. Sie gab nach, aber nicht viel. Da war etwas, das von der Innenseite dagegendrückte. Etwas, das nicht hart und massiv war, sondern weich und nachgiebig.
Die Öffnung war groß genug, so daß ich die untersten Treppenstufen erkennen konnte.
Noch einmal sah ich mich um. Die gestreifte Katze lag auf ihrem Platz unter dem Lastwagen. Sie folgte meinem Tun mit starrem Blick. Katzen hatten mich schon immer nervös gemacht. Ich kehrte ihr den Rücken zu, schob die Tür noch ein paar Zentimeter weiter auf, preßte die Schulter durch die Öffnung und steckte meinen Kopf ins Treppenhaus.
Laura Lüstgen lag vor der Tür. Sie war spärlich bekleidet, nur mit dem rosa Unterrock, den ich am Tag zuvor an ihr gesehen hatte. Sie lag ganz unten an der Treppe, mit einem unnatürlichen Knick im Nacken. Der Unterrock hatte sich um ihre Taille herum aufgerollt. Das struppige blonde Haar stand in alle Richtungen, und
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