Die Frau im Rueckspiegel
Judith. »Aber, um noch mal auf Uwe zu kommen, morgen solltest du lieber zum Training kommen, sonst flippt er aus.
»Morgen?«
»Uwe war heute supermies drauf und hat uns zum Extratraining verdonnert. Unsere Kondition sei zum Heulen, so drückte er sich aus.«
»Na, dem ist ja wirklich ’ne Laus über die Leber gelaufen.«
»Eine ganze Läusesippe«, kicherte Judith und verabschiedete sich. »Gute Nacht, Chris.«
»Ja, dir auch.«
Christiane legte auf und ging in die Küche. Bei all der Aufregung war ihr keine Zeit geblieben, etwas gegen das permanente Knurren ihres Magens zu unternehmen. Da es zu spät war, um noch mit dem Kochen anzufangen, öffnete Christiane den Kühlschrank, nahm Butter und Wurst heraus und machte sich ein paar belegte Brote, die sie auf einen Teller legte. Mit diesem und einem Glas Orangensaft zog sie ins Wohnzimmer. Von der Couch aus schaltete sie den Fernseher an, knipste sich durch die Programme. Bei »Boston Legal« blieb sie hängen.
2
» M ax Klein.« Eine große, schwere Hand umschloß Christianes. Der blaue Overall des Mannes strahlte vor Sauberkeit. »Sie sind der neue Fahrer? Äh, ich meine . . .«
»Bin ich.« Christiane nickte. »Christiane Seidel«, stellte sie sich vor und blickte sich neugierig in der Halle um. Zwischen den Säulen standen außer dem Lincoln und dem Mercedes noch drei weitere Luxusklassewagen. Aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Säule, Wagen, Säule, Wagen.
»Ist das erste Mal, daß sie ’ne Frau nimmt«, wunderte sich der Mechaniker.
»War wohl so eine Art Notfall«, meinte Christiane. »Für mich ein glücklicher Zufall.«
»Na ja, ob der so glücklich war«, brummte Max Klein skeptisch. »Laut Ihren Vorgängern ist es kein Vergnügen, die Chefin zu fahren. Die trauten sich in ihrer Gegenwart kaum, Luft zu holen.«
»Wieso?«
»Sie redet kaum ein Wort. Blättert entweder in irgendwelchen Unterlagen herum oder blickt eisig in die Gegend. Sie ist unnahbar, fast unheimlich.«
Christiane lachte. »Ach was. Wie unheimlich kann eine Frau sein, die . . .«, so aussieht , hatte sie sagen wollen, schwenkte allerdings gerade noch rechtzeitig um: ». . . ein Leben nach der Uhr führt.« Daß dies der Fall war, glaubte Christiane bereits zu wissen. Rebecca Reklin war nicht Herrin über ihren Tag. Der wurde ausschließlich von Verpflichtungen bestimmt. Aber offenbar schien sie das in Ordnung zu finden.
»Na, darüber können wir uns ja in ein paar Wochen noch mal unterhalten.« Max Klein führte Christiane in ein kleines Büro am Ende der Halle. »Jetzt erkläre ich Ihnen erst mal, wie die Dinge hier laufen.« Er wies auf einen Schlüsselkasten. »Das dort sind die Schlüssel für die Wagen. Der Mercedes für Frau Reklin, der BMW und der Audi für die Herren Stellvertreter, die Limousine für Anlässe und der VW als Reservewagen. Die Fahrer kommen morgens um sieben, nehmen den jeweiligen Schlüssel und holen die Chefs ab.«
»Es gibt noch zwei weitere Fahrer?«
»Ja. Zum Feierabend dieselbe Prozedur, nur umgedreht. Sie fahren Frau Reklin nach Hause und bringen den Wagen zurück. Morgens bin ich bereits vor Ihnen da. Ich beginne um sechs Uhr. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Zeiten, zu denen unsere Chefs nach Hause gefahren werden wollen, sind die Fahrer abends für den Schlüsseleinschluß verantwortlich. Hier ist der Schlüssel für den Kasten. Ich bekomme eine Unterschrift.« Klein reichte Christiane ein kleines Buch. Christiane nahm es, trug ihren Namen ein und unterschrieb.
»Mir obliegen die Wartung und Instandhaltung des Fuhrparks«, erklärte Max Klein schon weiter. »Der Wartungsplan sieht einmal im Monat einen Routinescheck jedes Wagens vor. Der Plan hängt dort.« Er deutete zu der Pinnwand neben der Bürotür. »Am Wartungstag nehmen Sie den VW. Auf die Art treten nur sehr selten Pannen auf. Falls Sie während Ihrer Touren technische Mängel feststellen oder einfach nur merkwürdige Geräusche, tragen Sie diese mit Datum im Reparaturbuch ein. Jeder Wagen hat eines. Die stehen hier.« Klein zeigte auf einen Metallschrank, der mit Ordnern gefüllt war. »Und Sie pinnen im Wartungsplan eines der rotes Fähnchen neben Ihren Wagen. Ich sehe mir die Sache dann morgens an. Ist es was Ernstes, nehmen Sie den VW, bis der Wagen repariert ist.«
»Alles klar.«
»Inwieweit verstehen Sie was von Autos? Ich meine . . .« Max Klein kratzte sich am Kopf, suchte nach einer netten Formulierung für seine Skepsis, ob Christiane besagte
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