Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau im Rueckspiegel

Die Frau im Rueckspiegel

Titel: Die Frau im Rueckspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
Vom Netzwerk:
oft vor bei Leuten in hohen Verantwortungen. Jahrelanger Erfolgszwang, enormer Streß, von allen Seiten werden Erwartungen an einen gestellt. Das brennt das Innere aus. Manche der Leute werden zu Aussteigern, andere bekommen Depressionen. Wenn es dann zum Äußersten kommt, wie in diesem Fall, ist das auch für die Nahestehenden immer ein Schock. Ich verstehe, daß Sie sich schwertun, daran zu glauben.«
    Christiane wünschte sich, sie hätte Hanna doch mitgenommen. Die kannte Rebecca wesentlich besser und wüßte, ob der Arzt mit seiner Einschätzung recht haben könnte.
    Zumindest eines war Fakt: Rebecca hatte Unmengen Tabletten geschluckt. Einen solche Menge und Mischung nahm man nicht aus Versehen. Daran gab es nichts zu deuteln!
    »Wollen wir jetzt zu ihr?« fragte Doktor Hafner.
    Christiane nickte stumm, stand auf und folgte ihm über den Gang. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust, als sie hinter Doktor Hafner Rebeccas Krankenzimmer betrat. Der Arzt ging zum Bett der Patientin, Christiane hielt sich hinter ihm.
    »Frau Reklin«, sagte Hafner mit gedämpfter Stimme. »Hier ist jemand für Sie.« Er trat zur Seite.
    Christiane tat einen Schritt nach vorn. »Hallo«, grüßte sie Rebecca zurückhaltend, was der Arzt für Sorge und Scheu in Anbetracht der heiklen Situation halten mußte. Er konnte nicht wissen, daß Christiane sich gerade die bange Frage stellte: Wie lange würde es jetzt noch dauern, bis ihre Lebensgefährtinnenlüge aufflog? Dann hatte sie nämlich gleich zwei Probleme: Rebecca und den Arzt.
    »Erkennen Sie Ihre Freundin?« fragte der Arzt Rebecca.
    Rebecca schaute Christiane schweigend an. Ein langsames Kopfschütteln folgte. »Nein.«
    Der Arzt musterte Rebecca eindringlich. »Sie erkennen Ihre Lebensgefährtin nicht?«
    Die schüttelte erneut den Kopf.
    Doktor Hafner runzelte die Stirn.
    Christiane schaute den Arzt fragend an. Rebeccas Erinnerungslücke mußte viel größer sein, als er angenommen hatte. Jedenfalls länger als nur ein, zwei Tage. Wußte sie überhaupt, wer sie selbst war? Hafner schaute immer noch zwischen ihnen beiden hin und her.
    »Keine Sorge«, sagte er jetzt zu Christiane. »Es gibt viele Patienten, die solche Erinnerungslücken kurz nach dem Vorgefallenen haben. In Ihrem Fall, Frau Reklin, haben wir sogar zwei der typischen Ursachen für eine, wie wir Ärzte es nennen, partielle retrograde Amnesie: die Tablettenvergiftung und ein schweres Schädeltrauma. In der Regel kommen die ersten Erinnerungen nach etwa vierundzwanzig Stunden zurück. Manchmal dauert es aber auch länger, bis zu ein paar Wochen. Und dann ist auch nicht schlagartig alles wieder da.«
    Ihre Zweifel standen Christiane ins Gesicht geschrieben. »Was das Ereignis selbst betrifft – Filmriß –, das verstehe ich«, meinte sie. »Aber warum erkennt sie mich nicht?« Daß ihr dies im Moment Probleme ersparte, dessen war sich Christiane nur zweitrangig bewußt. Ihre Sorge um Rebecca nahm fast alle ihre Gedanken ein.
    »Die Ursache liegt sehr wahrscheinlich in der Kopfverletzung, die eine starke Erschütterung des Gehirns zur Folge hatte. Sie müssen sich das so vorstellen: Das Gehirn liegt locker im Schädel. Bei einem Aufprall knallt es quasi gegen die Schädeldecke. Dadurch sterben Zellen ab, in denen Erinnerungen gespeichert waren. Welche Erinnerungen das sind, ist reiner Zufall. Da das Gehirn Informationen mehrfach abspeichert, gehen diese aber nicht verloren. Es dauert nur ein wenig, bis die Informationen an die neu gebildeten Zellen im Kopf weitergegeben werden. Jede Information ist im Langzeitgedächtnis, im Kurzzeitgedächtnis und im Emotionalteil abgespeichert. Wenn durch die Verletzung alle drei Teile betroffen sind, dann ist die Information erst mal weg. Dennoch, bei Personen wie Vater, Mutter und Lebenspartnerin zum Beispiel, ist die Information meistens auch noch irgendwo anders abgespeichert, da man die lange kennt. Anders ist das bei Leuten, die man seltener sieht. Diese Information ist nicht so häufig vorhanden und kann in einigen Fällen auch verlorengehen.« Der Arzt lächelte aufmunternd. »Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Frau Reklin sich wieder an Sie erinnert.«
    Christiane lächelte gequält. Das glaubst du. Zwei Wochen kannte sie Rebecca gerade mal. Damit gehörte sie wohl eher zu den von Hafner beschriebenen letzteren Fällen.
    »Also gut. Ich lasse sie beide jetzt allein. Vielleicht, wenn sie ein wenig miteinander reden, kommt ja die Erinnerung.«
    »Danke«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher