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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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zutiefst verunsicherte?
    Anouk wollte sich gerade für ihre unbotmäßige Reaktion bei Max entschuldigen, als dieser aufstand und zum Kellner hinüberging, der an einem Stehpult Tabletts zusammenstellte. Er sprach leise auf den Mann ein und zückte dann seine Kreditkarte. Er würde doch nicht …? Aber es sah genau danach aus! Er trat wieder an ihren Tisch und griff nach seinem Pullover.
    »Die Rechnung ist beglichen«, erklärte er mit eisiger Stimme. Dann warf er sich das Kleidungsstück über die Schulter. »Und ich bin sicher, die Flasche Rosé wirst du auch ohne meine Hilfe schaffen. Schönen Abend noch, Frau Morlot!«

    Max knallte die Wagentür zu, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr dann mit quietschenden Reifen davon. Er war wütend und drehte das Autoradio auf volle Lautstärke. Was war nur aus seinem geordneten Leben geworden? Seit er Anouk kannte, glich es mehr einer Achterbahn als einem steten Fluss. Und das nicht nur, was die Gefühlsebene betraf. Als würde seine neue Bekannte das Unglück regelrecht anziehen wie ein Magnet eine Handvoll Nägel, stand er, Max, dabei meist mitten in der Schusslinie. Und als wäre das nicht schon genug, stieß sie ihn auch immer wieder vor den Kopf, als wäre er ein dummer, kleiner Junge, den man problemlos herbeirufen und wieder wegschicken konnte, wie es einem gerade beliebte. Was bildete sie sich eigentlich ein? Es hatte ihn große Überwindung gekostet, ihr seine Verwandtschaft mit Rufli zu beichten, aber anstatt Verständnis für seine missliche Lage aufzubringen, hatte sie ihn angegriffen. Als ob er etwas für seine Verwandtschaft mit dem Kurator könnte! Damit nicht genug, hatte sie sogar darauf angespielt, dass er sie nun – wie Rufli – ebenfalls in Sippenhaft nehmen könnte.
    In einem gewagten Überholmanöver zog Max an einem Trecker vorbei und sah im Rückspiegel, dass der Fahrer ihm einen Vogel zeigte.
    Was gingen ihn Anouks Stimmen und Erscheinungen denn überhaupt an? Sie war weder seine Patientin noch seine offizielle Freundin. Sollte sie sich doch ohne ihn um den weiteren Verbleib des Bildes kümmern und nach der wahren Geschichte dieser Bernhardine forschen. Er hatte wahrlich Besseres zu tun, als irgendwelchen Damen in roten Kleidern nachzujagen, die schon längst das Zeitliche gesegnet hatten. Und dass er endlich ein klärendes Gespräch mit Brigitte geführt hatte, hatte er Anouk nicht einmal mehr mitteilen können. Die hatte, im Gegensatz zu Anouk, weitaus vernünftiger reagiert, als er vermutet hatte, was ihn insgeheim erstaunte. Aber wer verstand schon die Frauen! Doch Max wusste insgeheim, dass sich seine plötzliche Wut nicht ausschließlich gegen Anouk richtete, sondern auch gegen sich selbst. Seine starken Gefühle ihr gegenüber machten ihm Angst, weil er sie nicht kontrollieren konnte. Sie überrollten ihn einfach und ließen ihn wie eine Puppe agieren. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Denn Kontrolle war schließlich das Wichtigste im Leben. Sie hatte ihm geholfen, sein Leben neu zu ordnen, als seine Eltern gestorben waren, und er wollte sich unter keinen Umständen jemals wieder so verloren fühlen wie damals. Was das wiederum bedeutete, lag auf der Hand: Er musste sich von Anouk fernhalten.
    »Verdammt!«, stieß Max hervor.

    »Ich bringe den Kerl um!«
    Anouk stöckelte auf ihren hohen Absätzen den Uferweg entlang und verscheuchte einen Schwarm Mücken, der es auf ihre nackten Schultern abgesehen hatte.
    »Der soll mir ja nicht mehr unter die Augen kommen!« Sie bückte sich, um einen Stein aus ihren Riemchensandaletten zu entfernen. »Mich einfach so mitten im Lokal sitzenzulassen«, sie schnaubte, »wundert mich gar nicht, dass der mit dem Kurator verwandt ist!«
    Ein älteres Ehepaar kreuzte ihren Weg und warf ihr beunruhigte Blicke zu.
    »Ja, schauen Sie nur«, wetterte Anouk weiter. »So sieht jemand aus, den man … Ach, vergessen Sie’s!«
    Das Pärchen beeilte sich, an ihr vorbeizukommen, um dann in sicherer Entfernung die Köpfe zusammenzustecken.
    Anouk hatte nach der ersten Verblüffung über Max’ plötzlichen Abgang in ihrem nachträglichen Ärger tatsächlich noch die ganze Flasche Rosé geleert und fühlte sich nun dementsprechend. Gut, sie hatte ihn mit ihrer Reaktion auf sein Geständnis verletzt! Das war ihr ja auch sofort bewusst geworden. Aber er hatte im Gegenzug auch nicht gerade sehr erwachsen reagiert. Anstatt die Sachlage auszudiskutieren, war er einfach beleidigt abgerauscht. War das eine

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