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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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hinters Steuer setzen. »Auf gar keinen Fall, Tati. Sorry, aber das traue ich mir nicht zu.«
    »Papperlapapp! Es ist ja nicht weit. Das schaffst du schon.«
    Anouk biss sich auf die Lippen. Ihre Großtante bestimmte, und der Rest der Welt musste sich fügen. So war es schon immer gewesen.
    »Vielleicht könnte ja Doktor Sandmeier …?« Anouk griff nach einem Stück Brot. »Ich meine, er geht ja auch hin und …«
    »Unmöglich!«, ereiferte sich Valerie. »Er musste schon Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dir eine Karte zu besorgen. Ich werde seine Freundlichkeit nicht überstrapazieren und ihm auch noch die Rolle des Chauffeurs aufdrängen. Hast du dich übrigens schon bei ihm bedankt?« Anouk senkte den Blick. »Also nicht«, stellte ihre Großtante fest. »Das ist wirklich unhöflich. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    »Ist ja gut, Tati. Ich werfe mich ihm heute Abend zu Füßen und danke ihm unter Tränen für seine Güte.«
    Valerie kniff die Augen zusammen. »Sarkasmus ist hier gänzlich fehl am Platz. Und Höflichkeit hat noch keinem geschadet, meine Liebe.«
    Anouk zog die Schultern hoch. Sie wusste selbst nicht, wieso sie so gereizt reagierte, sobald es um Max ging. Im Grunde gefiel ihr der Arzt. Er war so ganz anders als sie. Ruhig, besonnen und mit der nötigen Bodenhaftung, die Anouk oft fehlte, wenn ihr Temperament sie wieder einmal in die Luft gehen ließ. Der perfekte Ausgleich zu ihrem impulsiven Charakter. Außerdem liebte sie seine braunen Augen. Aber Anouk hatte in Max’ Gegenwart auch immer das unbestimmte Gefühl, sich für ihr Tun rechtfertigen zu müssen. Allein seine Gegenwart war schon eine stumme Anklage. Als wäre sie ein Studienobjekt für ihn, das er nüchtern unter die Lupe nahm, während sie sich emotional zu ihm hingezogen fühlte. Er irritierte sie mehr, als sie es im Moment gebrauchen konnte, weshalb es auch das Beste war, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.
    »Ich muss jetzt los«, sagte sie und stand auf. »Brauchst du etwas aus dem Dorf?« Valerie Morlot schüttelte stumm den Kopf. Vermutlich wartete sie auf eine Entschuldigung, aber Anouk konnte genauso stur sein wie ihre Großtante. »Okay, dann bis später.« Sie schnappte sich ihre Handtasche und wandte sich noch mal um. »Tati?« Valerie drehte den Kopf. »Ich hab dich lieb.«

    »Jetzt weiß ich endlich, woher ich Sie kenne!« Die Bibliothekarin strahlte. »Aus dem Werbespot mit diesem Parfüm. Wie hieß es noch gleich? Irgendetwas mit Eis, nicht wahr?«
    Die Werbung für den Duft von Chiomac war europaweit ausgestrahlt worden und hatte Anouks Gesicht vor fünf Jahren über Nacht berühmt gemacht.
    »Crystal Frozen«, sagte sie lächelnd.
    »Genau!« Die Angestellte der Bibliothek schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Ich habe mir damals sogar einen Flakon davon gekauft, obwohl ich eher auf herbe Düfte stehe.« Anouk nickte und zog ihren Bestellschein aus der Tasche.
    »Ah, ja, Ihre Bücher.« Die Bibliothekarin griff nach zwei unscheinbaren Bändchen, die neben der Kasse lagen. »Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Blick hineinzuwerfen. Also, mein Geschmack ist’s ja nicht. Aber mit Lyrik tue ich mich schwer. Zu viele Röschen und Mägdelein. Wie gesagt, ich bin eher der herbere Typ.«
    Sie lachte schallend nach ihren letzten Worten, und Anouk schmunzelte. Frau Häusermann war nett, wenn auch etwas schwatzhaft. Aber vermutlich war das ein Berufsrisiko. Wer ständig mit stummen Büchern zu tun hatte, nahm wohl jede Gelegenheit wahr, um zu kommunizieren.
    »Danke«, sagte sie, als ihr die Bibliothekarin die Kassenquittung und die Plastiktüte reichte. »Ich hab’s im Grunde auch nicht so mit Gedichten. Es handelt sich eher um ein Experiment.«
    Frau Häusermann runzelte die Stirn und öffnete wieder den Mund, worauf Anouk sich schnell umdrehte und nach draußen floh.
    Am gegenüberliegenden Kiosk kaufte sie sich ein Vanilleeis und setzte sich auf eine der Bänke im Schulhofareal. Unter den schattigen Kastanienbäumen war die Hitze erträglich. Durch ein geöffnetes Fenster plätscherte Klaviermusik zu ihr hinab, die plötzlich abbrach und nach einer Weile wieder einsetzte. Anouk griff in die Plastiktüte und zog die beiden Lyrikbände heraus. Auf einem sah man das Bild einer Frau, die in ein spitzenverbrämtes Kleid gehüllt war, das Tatis gelbem Sahnebaiser verblüffend ähnelte. Christiana Mariana von Ziegler. Ihr Buch hieß Versuch in gebundener Schreib-Art, und sein Inhalt

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