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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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der Jagd und den hübschen Mägden auf den umliegenden Bauernhöfen. Was Bernhardine nicht unangenehm war. Bereits als sie mit Désirée schwanger war, hatte sie auf einer eigenen Zimmerflucht bestanden und diese nach langen, ermüdenden Diskussionen auch bekommen. Das Einrichten ihrer neuen Gemächer hatte sie für kurze Zeit vom Heimweh und den Gedanken über ihr tristes Schicksal abgelenkt.
    Bernhardine erinnerte sich an einen Abend vor drei Jahren, als Johannes’ Bruder sie in ihrem neuen Boudoir aufgesucht hatte. Sie war gerade dabei gewesen, ihre Töpfchen und Tiegel vor dem Schminkspiegel zu richten, als es an der Tür geklopft hatte.
    »Herein!«
    Bernhardine schnüffelte an einem kleinen Gefäß, das eine grünliche Salbe enthielt, und rümpfte die Nase. Der Kampfergeruch schoss ihr unangenehm in die Stirnhöhle, und sie verschloss den Tiegel eilig wieder.
    »Verehrte Belle-Sœur … « Gerold stand in der Tür und starrte sie mit seinen Kohleaugen an. »Erlauben Sie mir, auf ein kurzes Wort einzutreten.«
    Bernhardine zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Zum einen hatte sie nicht gewusst, dass sich ihr Schwager im Schloss befand, zum anderen hatte er bislang noch nie mehr als einen Satz an sie gerichtet, und das auch nur, wenn Johannes anwesend war. Sie nickte und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, einzutreten und sich zu setzen.
    Gerold stakste ins Zimmer. Mit ruckartigen Kopfbewegungen schaute er sich in ihrem neuen Gemach um, taxierte das Himmelbett, die französische Kommode, den Schminkspiegel und den hochflorigen Orientteppich unter seinen Füßen. Der Mann ähnelte immer mehr einer zerzausten Krähe, die auf der Suche nach einem Nest voller Eier war, um es auszuräubern. Zuletzt blieb sein Blick an ihrem gerundeten Leib hängen. Unwillkürlich legte Bernhardine die Hand auf ihren Bauch, und Gerolds Augen wurden für einen Moment schmal. Er schenkte ihr ein Lächeln, das sie in seiner religiösen Intensität an ein Fresko des heiligen Stephanus erinnerte, auf dem der Märtyrer mit dem gleichen verzückten Gesichtsausdruck abgebildet war, bevor ihn die Schergen steinigten. Sie hoffte, ihr Schwager würde die Unterredung kurz halten. Sie war müde, ihre Beine geschwollen und das Gewand um ihre Taille schon wieder zu eng geworden. Es zwickte unerträglich.
    Gerold setzte sich mit einem Ächzen auf einen gepolsterten Stuhl und streckte die Beine von sich. Er faltete die Hände über seinem Bauch und ließ die Daumen kreisen.
    Am liebsten hätte Bernhardine den hässlichen Vogel vor ihr an seinen mageren Schultern gepackt und heftig geschüttelt. Denn seit ein paar Wochen fiel es ihr immer schwerer, Geduld für die Dinge und Menschen um sich herum aufzubringen. Und auch jetzt ergriff sie eine kribbelnde Nervosität, die zu unterdrücken ihr nur mit Mühe gelang.
    »Nun, verehrter Beau-Frère, was beschert mir die Ehre Eures Besuches?«
    Gerold rutschte bis ganz nach vorn an die Stuhlkante und senkte den Kopf. Sein schwarzes Haar war ungepflegt. Es hätte Bernhardine nicht verwundert, Flöhe und Läuse darin zu entdecken. Ihr wurde flau im Magen. Plötzlich hob ihr Schwager blitzschnell den Kopf, beugte sich vor, riss seine Augen auf, bis nur noch die rotgeäderte Iris zu sehen war, und zischte ein paar Worte in einer fremden Sprache. Dabei presste er seine klauenartige Hand auf ihren Bauch. Der Spuk dauerte nur ein paar Augenblicke. Danach setzte Gerold sich wieder aufrecht hin, schlug die Beine übereinander und sagte beiläufig: »Hoffentlich wird es ein Junge, Madame. Sie wissen, wie sehr sich mein geliebter Bruder einen Erben wünscht.«
    Bernhardine war zu perplex, um eine intelligente Antwort geben zu können. Sie starrte ihren Schwager mit offenem Mund an. Was zum Henker hatte das eben zu bedeuten gehabt? Ihr blieb jedoch keine Zeit, Gerold nach seinem ungewöhnlichen Gebaren zu befragen, denn schon erhob sich dieser und wünschte ihr eine angenehme Nachtruhe. Das ungeborene Kind in ihrem Leib fing unvermittelt an, heftig zu treten, so dass es Bernhardine angst und bange wurde.
    Sie hatte schon von Magie und Verwünschungen gelesen. Und manchmal ertappte sie Marie dabei, wie diese murmelnd durch die Räume schlich und dabei Gegenstände berührte. Angeblich, um diese milde zu stimmen, damit sie den Bewohnern Schutz vor dem Bösen böten. So ein Humbug! Doch Gerolds Zwischenspiel hatte rein gar nichts mit Maries harmlosen Sprüchen zu tun gehabt. Seine Worte waren, und das hatte Bernhardine

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