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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Westbau. Sie rüttelte an der Tür, denn ihre Finger waren so starr, dass sie es nicht schaffte, die Klinke herunterzudrücken. Hinter den runden Butzenscheiben schimmerte gelbes Licht. Bernhardine hämmerte an das Fenster. Durch das Glas sah sie, wie sich eine dunkle Silhouette näherte. Gleich darauf wurde die Tür aufgerissen.
    Cornelis starrte sie ungläubig an. Er trug nur ein langes Leinenhemd, das nachlässig geschnürt war und den Blick auf seine nackten Oberkörper freigab. Bernhardine unterdrückte das Verlangen, seine Brust zu berühren und ihre Wange an sie zu schmiegen.
    »Du?«, sagte er nur und trat beiseite.
    Sie stolperte ins Innere. Als sie sich nach ihm umdrehte, bemerkte sie, dass er aufmerksam nach links und rechts spähte, bevor er die Tür schloss.
    Er hat Angst, ging es ihr durch den Kopf. Doch der Gedanke verflog so schnell, wie er aufgetaucht war, als sie sich in der Kammer umschaute.
    Auf dem Tisch standen ein Krug Bier, eine kleine Schüssel Haferbrei, in der noch der Löffel steckte, und ein angebissenes Stück Brot. Dahinter, auf dem Bett, lag ein Reisesack, der halb gefüllt war, daneben Hut und Reitpeitsche. Die Staffelei war zusammengebunden, die Stiefel standen neben dem gezimmerten Holztisch parat.
    Bernhardine wirbelte herum.
    »Es scheint mir, als spielte Meister van Cleef mit dem Gedanken, seine Zelte hier abzubrechen«, stellte sie mit schneidender Stimme fest. »Hat Er in der Eile denn nicht etwas vergessen?«
    Cornelis zog den Kopf ein. »Bernhardine«, begann er, schlüpfte dabei in seine Hose und stopfte sich hastig das Hemd in den Bund. »Wir müssen vernünftig sein, ich …«
    »Vernünftig?«, unterbrach sie ihn und ging einen Schritt auf ihn zu. »Ausgerechnet du sagst mir, dass wir vernünftig sein sollen?« Sie lachte wild auf und strich sich mit einer fahrigen Geste die nassen Locken aus dem Gesicht. »Wer hat mir denn Liebesverse vorgesäuselt, so dass ich meine Tugend weggeworfen habe wie einen alten Stofffetzen?«
    »Ich …«, stammelte Cornelis und hob hilflos die Hände.
    »Schweig!« Bernhardine trat näher. Er überragte sie um Haupteslänge und war blass geworden. Sie starrte ihn an, und er senkte beschämt den Blick. »Es ist jetzt nicht die Zeit«, hob sie an, »um sich über das zu unterhalten, was gestern Nacht geschehen ist. Désirée ist verschwunden. Seit den frühen Morgenstunden wird nach ihr gesucht. Ohne Erfolg. Als hätte der Teufel persönlich das Kind geholt.«
    Plötzlich war sie über alle Maßen erschöpft. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde jemand Wasser darin kochen. Sie setzte sich aufs Bett, schlang beide Arme um ihren Oberkörper und schloss für einen Moment die Augen.
    »Wie … verschwunden?«
    Cornelis runzelte die Stirn, kniete sich vor Bernhardine hin und versuchte, ihre Hand zu ergreifen. Doch sie wandte sich ab.
    »Désirée hat gefiebert«, sagte sie tonlos und rieb sich die Arme. »Marie wachte deshalb die ganze Nacht an ihrem Bett. Als sie irgendwann den Abort aufsuchen musste und danach noch in die Küche ging, um ein Stück Brot zu holen, muss die Kleine weggelaufen sein.« Bernhardine wiegte sich vor und zurück. »Vielleicht wollte sie zu mir. Zu ihrer Mama. Doch die machte sich zu dieser Zeit zur Hure eines Lakaien!«
    Sie schluchzte. Ihre Schultern zitterten, und sie ließ den Kopf nach vorne fallen.
    Cornelis zuckte bei ihren Worten zusammen, als hätte er einen Peitschenschlag erhalten.
    »Liebes«, sagte er gepresst, setzte sich an ihre Seite und zog sie an sich. »So etwas darfst du nicht sagen. Du bist keine Hure. Wir lieben uns und …«
    »Ach ja?«, schrie Bernhardine und wand sich aus seiner Umarmung. »Und Liebende schleichen sich bei Nacht und Nebel davon, nicht wahr?«
    Sie hob die Hand und gab Cornelis eine schallende Ohrfeige. Der Maler riss entsetzt die Augen auf. Seine Wange rötete sich und zeigte deutlich Bernhardines Fingerabdrücke. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und starrte zu Boden.
    »Du wirst bei diesem Wetter nicht weit kommen«, fuhr sie in höhnischem Ton fort. »Wo willst du hin? Johannes hat dich noch nicht bezahlt. Wovon willst du leben? Oder wartet bereits eine andere Dame auf dich, der du den Kopf mit deinen hübschen Worten und deinem treuherzigen Blick verdrehen willst?«
    Ihre Augen wurden schmal. Am liebsten hätte sie ihn angespuckt, aber ihre gute Erziehung hielt sie zurück.
    »Es ist dein gutes Recht, schlecht über mich zu denken«, sagte Cornelis leise und stand

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