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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Büsche. Dort stand das rotgelockte Mädchen vom vergangenen Montag, die Hände wie zum Gebet vor der Brust verschränkt, auf dem noch feuchten Rasen und schaute zu ihr hoch. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte es, hob eine Hand und winkte ihr zu. Anouk winkte zurück.
    Was für ein süßes Ding! Das Mädchen trug dasselbe Nachthemd wie am Montag. Seine üppigen Locken umwehten das herzförmige Gesicht, als würde das Kind unter Strom stehen. Ein schneller Blick in die Runde bestätigte Anouk, dass es erneut allein unterwegs war. Eine kleine Abenteurerin im Vorschulalter?
    »Hi, Süße!«, rief sie in den Garten hinab. »Hast du dich verlaufen?«
    Die Augen des Mädchens wurden kugelrund. Es verzog das Gesicht, seine Lippen fingen an zu zittern, und eine einzelne Träne rann die pausbäckige Wange hinab. Anouk erschrak. Was hatte die Kleine denn?
    »Warte, ich komme runter.«
    Eilig schloss sie das Fenster und lief die Treppe hinab.
    »Du wolltest doch das Bild …«
    »Später, Tati!«, rief Anouk und quetschte sich an ihrer Großtante vorbei. »Bin gleich zurück.«
    Als Anouk die Haustüre aufriss, hörte sie ein schrilles Krächzen, unterbrochen von spitzen Mädchenschreien. Vermaledeites Krähenvolk! Jetzt griffen diese Schwarzröcke schon kleine Kinder an. Irgendetwas konnte mit den hiesigen Krähen nicht stimmen.
    »Verschwinde!«, schrie Anouk und sauste um die Hausecke. »Hau bloß ab, du Mistvieh!«
    Sie stoppte abrupt. Der Vogel war nirgendwo mehr zu sehen. Und auch die Brombeerhecke lag verlassen unter der strahlenden Sonne. Anouk runzelte die Stirn. Wo war die Kleine nur so schnell hin?
    »Hallo?«, rief sie und umrundete Tatis Haus. Keine Antwort. Außer ein paar auffliegenden Spatzen, die sich lautstark darüber beschwerten, dass Anouk sie dabei störte, ein ausgiebiges Bad im Vogelbecken zu nehmen, war nichts zu sehen.
    »Komisch«, murmelte sie. »Ich habe doch keine Halluzinationen.« Sie stapfte über das feuchte Gras zu den Brombeerbüschen zurück. Aber nachdem der Rasen erst kürzlich gemäht worden war, konnte sie keine Fußspuren ausmachen. »Hallo?«, rief sie nochmals. »Hab keine Angst. Ich will dir helfen.«
    Eine plötzliche Windböe verursachte ihr eine Gänsehaut. Sie rieb sich die Arme und wollte schon ins Haus zurückkehren, als sie mit den nackten Zehen an einen Gegenstand stieß. Sie bückte sich und hob ihn auf. Es handelte sich um einen Bergkristall, der an einer goldenen Brokatkordel hing. Ob er dem kleinen Mädchen gehörte? Der Stein fühlte sich merkwürdig organisch und warm an. Als ob er längere Zeit in der Sonne gelegen hätte. Anouks Finger schlossen sich um das Schmuckstück. Sie spürte ein leichtes Vibrieren. Erschrocken ließ sie den Kristall wieder fallen, der kurz aufleuchtete, als hätte er Licht gespeichert. Anouk hob den Anhänger erneut auf, aber diesmal kam es zu keiner ungewöhnlichen Reaktion. Diesmal war und blieb er lediglich ein Kristall an einer Kordel. Sie steckte ihn in die Hosentasche, schaute sich nochmals um und ging dann kopfschüttelnd ins Haus.

    »Kannst du Latein?«
    Anouk hatte keine Lust gehabt, Max die Neuigkeiten am Telefon zu erzählen, und war deshalb gegen fünf zu seiner Praxis geradelt. Kurz nach siebzehn Uhr hatte zuerst seine Praxishilfe das Haus verlassen, und wenig später war er selbst herausgekommen und schloss gerade die Tür ab, als Anouk ihn von hinten ansprach.
    »Gott, Anouk, du kannst einen aber auch erschrecken!«
    Er drehte sich um und schenkte ihr ein solch strahlendes Lächeln, dass sie unwillkürlich errötete. Verlegen strich sie sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Also, ich nehme an, da du Medizin studiert hast, wirst du es können, oder?«
    Max steckte seinen Schlüsselbund in die Jeans und nickte.
    »Richtig gedacht. Es ist Pflichtfach im Medizinstudium. »Citius, altius, fortius!«, deklamierte er. Und nach einem Blick in Anouks verwirrtes Gesicht übersetzte er lachend: »Schneller, höher, weiter!«
    »Fein«, sagte sie und schob ihren Drahtesel zu seinem Auto, »dann kannst du mir sicher auch folgende Worte übersetzen. Ich hoffe, ich kriege sie noch zusammen. Es klang etwa so: Abi in malam krutschem. «
    Max brach in schallendes Gelächter aus. »Nicht sehr höflich, aber heutzutage durchaus gebräuchlich«, sagte er und schloss sein Auto auf. Er warf seine Aktentasche auf den Rücksitz und ließ die Tür offen, damit die angestaute Hitze entweichen konnte.
    »Ja, und? Was heißt das

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