Die Frau mit dem Muttermal - Roman
gekriegt?«
Innings schüttelte den Kopf.
»Ich aber«, erklärte Biedersen. »Meine Fresse. Aber du hast den Brief von der Polizei gekriegt?«
»Heute Morgen«, antwortete Innings. »Dann bist du also an der Reihe.«
Das rutschte ihm heraus, bevor er es zurückhalten konnte, ihm war aber sofort klar, dass die Erleichterung, die er für einen Augenblick spürte, ein äußerst vorübergehendes Phänomen war. Zuerst Biedersen. Dann er selbst. So war es gedacht.
»Kann sein«, erwiderte Biedersen. »Aber fühl dich nicht zu sicher. Wir müssen zusehen, dass wir ihr einen Riegel vorschieben, deshalb sitzen wir ja hier.«
Innings nickte.
»Wir müssen sie fertigmachen, bevor sie uns fertigmacht. Da sind wir uns doch einig?«
»Ja …«
»Zögerst du?«
»Nein … nein, ich überlege nur, wie wir das anstellen sollen.«
»Darüber habe ich bereits nachgedacht.«
»Aha. Und wie?«
»Mit dem gleichen Mittel. Unterm Tisch steht eine Tasche, fühlst du sie?«
Innings tappte mit den Füßen herum und spürte etwas hinten an der Wand.
»Ja und?«, fragte er.
»Deine Waffe liegt da drin. Kostenpunkt: achthundert.«
Innings spürte, wie ihm plötzlich schwindelig wurde.
»Du … du hast nicht … über irgendeine Alternative nachgedacht?«
Biedersen schnaubte.
»Und wie soll die aussehen?«
»Ich weiß nicht …«
Biedersen zündete sich eine Zigarette an. Es vergingen ein paar Sekunden.
»Sollen wir sie ausfindig machen?«, fragte Innings. »Oder nur dasitzen und warten?«
»Verflucht noch mal!«, zischte Biedersen. »Wir wissen ja nicht mal, wie sie aussieht! Aber wenn du nach Stamberg fahren und ein Foto von ihr auftreiben willst, bitteschön. Nur … wer, zum Teufel, sagt dir, dass sie nicht ’ne Perücke benutzt? Und mehr. Du weißt doch wohl selbst, wie scheißeinfach es für eine Frau ist, ihr Aussehen zu verändern!«
Innings nickte.
»Heute Abend kann es so weit sein, ist dir das klar? Oder morgen. Die nächste Person, die an deiner Tür klingelt, das kann sie sein. Kapierst du das?«
Innings antwortete nicht. Der Kellner kam mit ihrem Essen, und schweigend begannen sie zu essen.
»Diese Musik …«, fragte Innings nach einer Weile und wischte sich die Mundwinkel sauber.
Biedersen legte sein Besteck ab.
»Zweimal«, erklärte er. »Ein paarmal hat jemand angerufen und wieder aufgelegt, als meine Frau sich gemeldet hat. Jedenfalls ist es diese Scheißmusik … ich komme nicht mehr drauf, wie sie heißt, aber wir haben sie die ganze Zeit gedudelt. Na
ja, ich brauche dich wohl nicht dran zu erinnern … du warst schließlich ziemlich nüchtern.«
»Ich war nicht nüchtern«, widersprach Innings. »Du weißt genau, dass ich das nicht war, sonst hätte ich nie …«
»Schon gut, das müssen wir nicht jetzt wiederkäuen. Wie hieß die Gruppe noch mal?«
»The Shadows?«
»Ja, genau. Du erinnerst dich ja doch. Ich habe nachgeguckt, aber ich habe die Scheibe nicht mehr.«
»Kann man den Anruf nicht zurückverfolgen?«
»Verflucht noch mal«, widersprach Biedersen. »Du scheinst überhaupt nichts zu begreifen. Natürlich können wir die Polizei einschalten und dann so viel Schutz kriegen, wie wir wollen … aber ich dachte, wir wären uns darüber einig, dass wir das nicht tun?«
»Okay«, sagte Innings. »Einverstanden.«
Biedersen bohrte seinen Blick in ihn.
»Ich weiß nicht, wie es dir geht«, sagte er. »Ich habe jedenfalls seit fünfundzwanzig Jahren eine Familie. Ehefrau, drei Kinder, sogar ein Enkelkind … zum Teufel, meine Welt kann wie ein Kartenhaus zusammenfallen! Aber wenn du Zweifel hast, dann sage es jetzt … ich schaffe das auch allein. Dachte nur, es wäre für uns beide ganz sinnvoll zusammenzuarbeiten. Und die Verantwortung zu teilen.«
»Ja …«
»Wenn du nicht mitmachen willst, dann sage es nur.«
Innings schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, ich mache mit. Entschuldige. Was sollen wir tun?«
Biedersen breitete die Arme aus. »Vielleicht einfach nur warten«, erklärte er. »Mit der Waffe bereitstehen. Du wirst kaum erklären müssen, warum du sie dir besorgt hast … alle werden uns glauben. Schließlich muss man ja verdammt noch mal das Recht haben, sein Leben zu verteidigen.«
Innings dachte nach.
»Ja«, sagte er. »Das ist Notwehr, natürlich …«
Biedersen nickte.
»Klar«, bestätigte er. »Aber es ist nur gut, dass wir Kontakt aufgenommen haben. Wir haben schließlich keine anderen Verbündeten, und es kann eine Lage entstehen, in der
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