Die Frau mit dem Muttermal - Roman
einige um Polizeischutz gebeten.«
»Ja, und?«
»Wir sagen ihnen, wir würden sie unter einer gewissen Beobachtung halten.«
»Aha«, sagte Münster. »Tun wir das denn?«
Van Veeteren knurrte.
»Natürlich halten wir alle Mitbürger unter einer gewissen Beobachtung. Das steht so in den Polizeivorschriften, falls der Kommissar sie kennt.«
Münster nahm einen Schluck.
»Das Einzige, was in dieser verfluchten Ermittlung eigentlich passiert«, fuhr Van Veeteren fort und zündete sich eine Zigarette an, »ist, dass Heinemann in irgendeinem Verschlag sitzt und nach Verbindungen sucht.«
»Was für Verbindungen?«
»Natürlich zwischen Malik und Maasleitner. Es scheint, als fühle er sich schuldig, dass die Spur zur Stabsschule so schlechte Ergebnisse gebracht hat. Nun ja, wir werden sehen.«
»Das werden wir«, bestätigte Münster. »Er ist ja jedenfalls ziemlich gut darin, über merkwürdige Sachen zu stolpern. Und was meint der Hauptkommissar?«
Van Veeteren zog heftig an seiner Zigarette und stieß den Rauch durch die Nasenlöcher wieder aus. Wie ein Drache, dachte Münster.
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber ich finde es auf jeden Fall verflucht unangenehm, dass der Mörder noch frei herumläuft. Irgendwas müsste doch mal bald geschehen, das ist ja wohl klar.«
»Wirklich?«, fragte Münster.
»Findest du nicht?«, entgegnete Van Veeteren und zog verwundert eine Augenbraue hoch. »Du bildest dir doch wohl nicht ein, dass es nach diesen beiden vorbei ist? Malik und Maasleitner. Es muss irgendeinen Zusammenhang geben, und wenn er noch so klein ist.«
Münster dachte eine Weile darüber nach.
»Und welchen?«, fragte er schließlich.
»Gute Frage, Herr Kommissar. Ich biete zwei Gulden für eine Antwort.«
Münster trank den Rest seines Biers aus und begann andeutungsweise seine Jacke zuzuknöpfen.
»Ich muss jetzt los«, sagte er. »Ich habe dem Babysitter versprochen, in einer halben Stunde da zu sein.«
»Allright«, seufzte der Hauptkommissar. »Allright, ich komme.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Münster, als sie nach Klagenburg einbogen. »Ich meine, außer zu warten.«
»Hrrm«, knurrte der Hauptkommissar. »Ich denke, wir werden uns noch mal diese Gruppe um Maasleitner vornehmen müssen. In Ermangelung anderer Ideen fürs Erste.«
»Also noch mehr Fragen?«
»Noch mehr Fragen«, bestätigte der Hauptkommissar.
»Verdammt viele weitere Fragen und nicht der Schimmer einer guten Antwort.«
»Jetzt wollen wir aber nicht den Mut verlieren«, sagte Münster und bremste ab.
»Au«, stöhnte Van Veeteren, als er sich aus dem Wagen schälte.
»Ich glaube, ich habe mir ’ne Zerrung zugezogen.«
»Wo denn?«, fragte Münster.
»Am ganzen Leib«, sagte Van Veeteren.
23
Hinterher wurde ihm klar, dass er sie beim Fußballspiel am Sonntag das erste Mal gesehen hatte.
Er war wie immer mit Rolv dorthin gegangen, und sie hatte schräg hinter ihnen gesessen, zwei Reihen über ihnen – eine Frau mit einer großen, braungetönten Brille und einem bunten Schal, der den größten Teil ihrer Haare verbarg. Auf jeden Fall waren sie dunkel, daran konnte er sich erinnern, ein paar Strähnen hatten herausgeragt. So um die dreißig, das kam hin. Etwas verhärmt, aber er sah nicht viel von dem Gesicht.
Als er sich die Situation später wieder ins Gedächtnis rief
und ihm klar wurde, dass er sich an sie erinnern konnte, fiel ihm auch ein, dass er sich während des Spiels drei-, viermal umgedreht hatte. Weiter oben waren einige Raufbolde gewesen, die herumgegrölt und den Schiedsrichter beschimpft hatten, so dass die Leute entweder lachten oder sie zur Ruhe mahnten. Biedersen hatte nie ausmachen können, wer es genau war, aber bei diesen Gelegenheiten musste es gewesen sein, dass er sie gesehen hatte.
Nicht bewusst natürlich. Aber er hatte sie registriert und ein Bild von ihr gespeichert.
Im hellen Mantel, genau wie das zweite Mal, als sie wieder auftauchte.
Ansonsten war das meiste verändert. Keine Brille, kein bunter Schal – stattdessen das dunkle Haar in einem Knoten hochgesteckt –, und es war schon verflucht merkwürdig, wieso er so genau wissen konnte, dass sie es war. Und dieses Mal hatte er reagiert. Das neue Bild legte sich auf das alte, und er verstand. Am Montag während der Mittagspause. Er saß wie üblich mit Henessy und Vargas bei Mix. Sie trat durch die Tür ein. Stand eine Weile an der Kasse und schaute sich um. Tat so, als suche sie nach einem
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