Die Frau ohne Gesicht
er.
Lia stieß die angelehnte Fahrertür auf.
Jansons trat neben den Wagen, um besser zielen zu können. Gleichzeitig verdeckte die Wagentür seine Waffe vor eventuellen Passanten.
Lia überlegte, ob sie Jansons die Waffe aus der Hand schlagen oder treten konnte, verwarf den Gedanken jedoch sofort.
Sie starrten sich lange Sekunden an. Lia sah, dass der Mann seine Alternativen abwog. Dann nickte er zu ihren Beinen hin.
»Mach den Kofferraum auf. Der Hebel ist unter dem Sitz.«
Lia tastete nach dem Hebel und zog daran. Als sie hörte, wie sich das Kofferraumschloss öffnete, ging ihr auf, was passieren würde. Sie spürte einen Druck auf der Brust, als sauge ihr jemand die Luft aus dem Körper.
Jansons brauchte nichts zu sagen. Er schwenkte nur einmal die Waffe. Lia stieg langsam aus.
Sie spürte, wie Jansons den Lauf seiner Waffe an ihren Rücken presste und sie vorwärtsschob. Sie trat hinter das Auto. Jansons stieß den Kofferraumdeckel ganz auf. Dann presste er ihr erneut den Lauf in den Rücken. Lia wusste, was er wollte.
Sie versuchte, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. Sie bekam kaum Luft.
Ich muss in den Kofferraum, wie Daiga V ī tola und Anita Klusa.
Der Mann stieß sie erneut in den Rücken, diesmal fester. Es tat weh.
Lia stützte sich auf den Rand des Kofferraums. Ihr Rücken schmerzte. Ihre Hände zitterten.
Ich werde da drinnen sterben.
Mehr konnte sie nicht denken, bevor von oben ein Schlag kam.
Paddy schätzte die Lage ab. Sein Wagen war fahrtüchtig, trotz der geborstenen Windschutzscheibe. Elza und vor allem Henriete hatten einen Schock erlitten, doch die Kugeln hatten sie nicht getroffen. Und die Wunde an Henrietes Arm war geringfügig. Sie waren nicht in unmittelbarer Gefahr.
Lia war es.
Möglicherweise hatte der glatzköpfige Schütze sie schon umgebracht. Aber wenn nicht – was würde er mit Lia tun?
»Kennst du den Mann, der auf uns geschossen hat?«, fragte er Elza.
»Ja. Er ist sehr gefährlich.«
Elza beschrieb Olafs Jansons mit wenigen Worten: ein Verbrecher von der schlimmsten Sorte.
Paddy musste eine Entscheidung treffen.
»Bleibt im Wagen und seid ganz still«, sagte er und stieg aus.
Er ging zurück zur Sangley Street und tastete dabei nach der Waffe in seiner Jackentasche. Dann holte er das Handy hervor und rief Mari an. Er brauchte Unterstützung.
Lia lag im dunklen Kofferraum von Kazis Vanags’ Wagen und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Ihr Kopf schmerzte so heftig, dass sie sich zusammenkrümmte.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, und suchte in ihrer Jackentasche nach dem Handy, doch es war verschwunden. Offenbar hatte Jansons es an sich genommen.
Vorsichtig tastete sie nach dem Kofferraumschloss. Es ließ sich nicht öffnen. Sie erinnerte sich verschwommen, ein Knacken gehört zu haben. Natürlich hatte Jansons abgeschlossen.
Wohin war der Glatzkopf gegangen? Hatte er doch nicht vor, sie umzubringen?
Die automatische Verriegelung surrte. Jansons war zurückgekehrt.
Bevor Lia etwas unternehmen konnte, spürte sie, wie der Wagen schaukelte. Jansons stieg ein, verriegelte die Türen sofort wieder und ließ den Motor an.
Er bringt mich irgendwo hin. Ich komme hier nicht mehr raus.
Paddy hockte geduckt hinter einem parkenden Auto und beobachtete, wie Jansons Vanags’ Wagen startete und abfuhr.
Lia war nicht zu sehen.
Jansons war ins Haus gegangen, aber gleich wieder zurückgekehrt, nachdem er seinen Boss erschossen aufgefunden hatte.
Aber wo war Lia?
Paddy wartete, bis der Wagen verschwunden war. Dann lief er zur Rückseite des Reihenhauses. Er wusste, dass er sich beeilen musste, und ließ alle Vorsichtsmaßnahmen beiseite. Die Hintertür war immer noch unverschlossen, und Paddy ging durch alle Zimmer, die Waffe schussbereit.
Obwohl ihm sein Instinkt sagte, dass Lia nicht im Haus war, sah er überall nach, fand aber nur Vanags’ Leiche vor.
Er verließ das Haus durch die Hintertür und inspizierte die Stelle, wo das Auto gestanden hatte. Keine Spur von Lia. Sie musste im Auto sein, mit Jansons.
Auf dem Rückweg zu seinem eigenen Wagen rief er erneut Mari an und setzte sie ins Bild. Eine so brenzlige Situation hatten sie bei noch keinem ihrer Fälle erlebt, doch Paddy hörte Mari an der Stimme an, wie sie reagierte: Sie verdrängte ihre Gefühle, verhielt sich professionell, konzentrierte sich auf die Fakten.
Elza wartete im Auto, sie war blass. Sie hatte sich wieder aufgesetzt, ebenso wie Henriete, die die Augen
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