Die Frau vom Leuchtturm - Roman
Familienangehörige habe - die er nicht hat, abgesehen von einer schwer behinderten Mutter, die in einem Pflegeheim in New Orleans lebt. Sie haben mir die Adresse des Krankenhauses gegeben und gesagt, ich solle sofort kommen.«
Alice Cahill wirkte verärgert. »Auf den Takt und die Diskretion der Bundesbehörden kann man sich wirklich verlassen«, schnaubte sie wütend. Dann nahm sie meinen Arm und schob mich sanft zur Tür. »Ich habe gerade Dienstschluss«, sagte sie. »Warum fahren wir nicht nach unten in die Cafeteria und frühstücken? Dabei kann ich Ihnen Näheres über Ihren Freund erzählen. Entschuldigung, aber ich habe einen Bärenhunger …«
Als wir über den Flur der Intensivstation gingen, sah ich noch einmal durch das Fenster. Damon hatte sich keinen Millimeter gerührt. »Er wird doch wieder gesund, oder?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Beim Frühstück«, vertröstete mich Alice. »Es ist eine lange Geschichte, und ich habe seit gestern Abend nichts gegessen.« Sie musterte mich. »Sie sehen auch aus, als könnten Sie etwas zwischen die Zähne gebrauchen.«
Fünf Minuten später schaute ich auf einen Teller mit Rührei hinunter. Dan hatte darauf bestanden, mir die Eier von der Essensausgabe in der Cafeteria zu holen. Alice Cahill erklärte mir, was Damon zugestoßen war. »Vor drei Tagen ist am Abend ein Inlandsflug von New york nach Newport über der Narragansett Bay abgestürzt …«
»In der Nacht vor dem schweren Sturm«, unterbrach ich sie und erinnerte mich an den Fernsehbericht über einen Flugzeugabsturz, als ich an meinem zweiten Abend in Freedman’s Cove den Fernseher ausgeschaltet hatte.
Alice nickte. »Der Pilot hat noch dicke Vereisungen an der Maschine und schwere Turbulenzen gemeldet, bevor er über der Bucht abgestürzt ist«, bestätigte sie. »Die Küstenwache hat sofort mit der Suche begonnen, aber zu Beginn gemeldet, es gebe keine Überlebenden. Man nahm an, alle siebzehn Personen an Bord, Mannschaft und Passagiere, seien umgekommen.«
Die Ärztin lächelte müde. »Aber manchmal geschehen noch Wunder. Und Ihr Freund da oben auf der Intensivstation«, meinte sie und sah aus ihren freundlichen Augen zur Decke auf, »ist ein ziemlich zäher Bursche. Er trieb die ganze Nacht in einer Rettungsweste im Wasser, bis ihn mehr als elf Stunden nach dem Absturz ein Fischerboot an Bord gezogen hat. Die Küstenwache hat ihn sofort mit dem Hubschrauber hergeflogen, weil unsere Klinik weit und breit die besten
Möglichkeiten zur Behandlung fortgeschrittener Unterkühlung besitzt.«
Sie unterbrach sich, um einen Schluck Orangensaft zu nehmen, und biss in ihren Toast. »Ich hatte Dienst, als er hereingebracht wurde. Er hatte die üblichen Knochenbrüche und inneren Verletzungen, mit denen bei Absturzopfern zu rechnen ist, und er war stark unterkühlt. Als er eingeliefert wurde, war seine Kerntemperatur auf ungefähr dreiundzwanzig Grad gesunken, und sein Herz hatte während des Flugs mit dem Hubschrauber zu schlagen aufgehört.«
Staunend schüttelte Alice den Kopf. »Allein, dass wir sein Herz wieder zum Schlagen gebracht haben, ist schon ein kleines Wunder. Jedenfalls«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, »haben wir gleich begonnen, ihn aufzuwärmen - glücklicherweise besitzen wir hier die entsprechenden Geräte, mit denen wir tatsächlich das Blut des Patienten außerhalb seines Körpers aufwärmen können, sonst hätte er nicht überlebt. Zum Glück hat die Behandlung wunderbar angeschlagen, und wir konnten seine Temperatur stabilisieren. Daher haben wir ihn als Nächstes in den OP gefahren und uns um die schwereren inneren Verletzungen gekümmert, in erster Linie ein Milzriss und eine perforierte Lunge. Er leidet auch unter den Auswirkungen einer schweren Gehirnerschütterung.«
»Sie haben auch von Knochenbrüchen gesprochen«, sagte ich, »aber ich habe gar keine Gipsverbände oder so etwas gesehen.«
Die Ärztin sah mir schweigend in die Augen. »Für den Moment haben wir die Brüche nur immobilisiert«, erklärte sie offen. »Wir werden noch einmal operieren,
um sie zu richten … wenn er die gegenwärtige Phase übersteht.«
»Und wie stehen Damons Chancen, diese … Phase zu überleben?«
Die Ärztin tauschte einen besorgten Blick mit Dan, der meine Hand nahm. »Es ist wirklich noch zu früh für eine Prognose«, antwortete sie. »Ihr Freund ist unglaublich stark, aber er hat auch eine Menge mitgemacht. Jetzt muss sein Körper selbst mit dem Großteil des Traumas
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