Die Frau vom Leuchtturm - Roman
strudelte das Wasser in der Whirlpool-Wanne um meinen Körper und beschwor einen anderen, schwülheißen Erinnerungsfetzen an eine lange zurückliegende Sommernacht herauf, in der ich nackt an meinem
offenen Fenster gelegen und Fantasien über Danny Freedman nachgehangen hatte.
Ich verscheuchte das erotisch aufgeladene Bild und versuchte mich wieder auf die systematische Einschätzung meines Geisteszustands zu konzentrieren. Wenn ich nicht wirklich verrückt war, sorgte ich mich, wie hatte ich dann den Kuss eines anderen so genießen können, während ich so tief um Bobby trauerte?
Darauf fand ich keine zufriedenstellende Antwort.
Ich stand an meinem Fenster und beobachtete die schäumende Brandung, die im Mondlicht beinahe fluoreszierend wirkte. Als der Lichtstrahl des Leuchtturms von Maidenstone durch die Nacht huschte, dachte ich an den abscheulichen Amos Carter, der Aimee nachspioniert hatte. Doch dann wich mein Zorn einem verlegenen Erröten, als ich daran dachte, dass auch mich jemand hätte beobachten können. Bei diesem Gedanken erschauerte ich, als der Lichtstrahl auf mich fiel.
Ich schob die Vorstellung beiseite und ging ins Bett. Während des Einschlafens rechnete ich mit weiteren bösen Träumen, in denen ich Bobbys attraktives Gesicht sehen würde.
Doch statt eines weiteren melancholischen Rendezvous mit meinem verlorenen Liebsten erlebte ich ein komisches und verwirrendes Zusammentreffen mit Damon.
Mein lieber Partner, der selbst dann witzig wirkt, wenn ihm etwas ernst ist, war in dieser Nacht der Knüller. Am Ende hörte ich mich selbst im Schlaf kichern.
»Sue, Schätzchen, da ist etwas, über das wir unbedingt reden müssen.«
Damon saß hinter seinem ewig unaufgeräumten Schreibtisch in unserem Büro in Manhattan. Keine Spur von seinen üblichen grellen Seidenhemden und engen Lederhosen, stattdessen trug er einen konservativen Nadelstreifenanzug und sogar eine geschmackvoll gemusterte Seidenkrawatte. Und er hatte sein wildes Haar gekämmt.
Ich machte eine Bemerkung über seine merkwürdige Aufmachung, worauf Damon wütend zu lamentieren begann und mit einem dicklichen Finger auf mich zeigte. »Ich versuche, ernst zu sein, also hör mir lieber zu, Mädel«, warnte er mich in seinem schleppenden Südstaatenakzent. »Ich sage dir das nur zu deinem Besten …«
Ich wartete und kicherte dabei wie ein Schulmädchen. Genau wie Tante Ellen vor ihm gab Damon mir ständig praktische Ratschläge und erzählte mir Dinge, die nur zu meinem Besten waren.
In meinem Traum öffnete Damon den Mund zum Reden, und eine Sprechblase wie aus einem Cartoon erschien über seinem Kopf. Darin stand in wackligen Cartoon-Buchstaben, umgeben von kleinen Blitzen und Ausrufezeichen, das Wort BOBBY.
Jetzt kicherte ich nicht mehr, sondern lachte lauthals. »Ich weiß, ich weiß«, gab ich zurück, weil ich zu ahnen glaubte, was sein nächster Satz sein würde. »Wenn ich bessere Schlösser an der Wohnungstür gehabt hätte, dann hätten die Junkies Bobbys Sachen nicht geklaut. Ist okay, ich mache dir keinen Vorwurf, Damon. Es war meine eigene Schuld …«
Damons Mondgesicht verzog sich ärgerlich. Frustriert schüttelte er den Kopf und verdrehte die Augen zu
der dummen Sprechblase, die über ihm schwebte. »Hör mir zu, Sue!«, schrie er mit einer Stimme, die schrill vor Panik klang.
Ich biss mir auf die Lippen, setzte eine ernste Miene auf und hörte zu.
»Es macht mich sehr traurig, dass ich derjenige sein muss, der …«, begann er. Große blaue Cartoon-Tränen rollten plötzlich über Damons dicke, glänzende Wangen.
Ich hielt mir die Rippen und brüllte vor Lachen. Mein Gelächter übertönte seinen schwachen Versuch, mir zu sagen, was er unbedingt loswerden wollte.
Im Hintergrund begann jemand auf einem Messingglöckchen eine merkwürdige, misstönende Melodie zu spielen.
Ich erwachte vom lauten, hartnäckigen Läuten des altmodischen schwarzen Telefons, das auf meinem Nachttisch stand.
Mühsam riss ich mich aus dem Schlaf, setzte mich auf und starrte verständnislos auf den Reisewecker neben dem Telefon.
Es war Viertel nach sechs morgens.
Schwaches Licht fiel durch die Fenster, und draußen standen drohende Sturmwolken an einem grauen Himmel.
Wieder klingelte das Telefon.
»Hallo?«
Die unbekannte Stimme am anderen Ende war vor dem Hintergrund eines Highspeed-Computerdruckers kaum zu verstehen, und ich musste den Anrufer bitten, seine Frage zu wiederholen.
»Ja«, antwortete ich, als er sich
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