Die Frau vom Leuchtturm - Roman
fertig werden. Wie so oft in solchen Fällen, insbesondere bei einer schweren Gehirnerschütterung, hat er sich ins Koma zurückgezogen. Es ist zu hoffen, dass er im Lauf der nächsten vierundzwanzig Stunden daraus erwacht.«
Ich spürte das nur allzu vertraute Kribbeln von Tränen, die mir in die Augen stiegen. Und dann kam mir plötzlich ein entsetzlicher Gedanke. »Die Hirnverletzung. Wenn er überlebt, wird er dann womöglich … geistig behindert bleiben?«
Ich versuchte ein alptraumhaftes Bild beiseitezuschieben, das in mir aufstieg: der liebe, geniale Damon, wie er irgendwo in einem Krankenhausbett saß und mit seinen einst funkelnden Augen, aus denen jetzt jede Spur von Geist und Intelligenz gewichen war, aus dem Fenster starrte.
Zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, lächelte Alice Cahill richtig. »Sie meinen, ob er einen permanenten Hirnschaden davontragen wird? Nein, ich glaube nicht«, antwortete sie. »Herrje, tut mir leid, ich hätte Ihnen das gleich sagen sollen. Ihr Freund … Damon … ist kurz zu Bewusstsein gekommen, nachdem wir seine Körpertemperatur erhöht hatten. Wir haben ein kurzes, aber zusammenhängendes Gespräch
geführt.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Er war natürlich ziemlich durcheinander, und es war ein sehr eigenartiges Gespräch.« Sie lachte. »Aber trotzdem im Wesentlichen zusammenhängend.«
»Gott sei Dank«, stieß ich hervor. »Was hat er gesagt?«
Alice grinste. »Nachdem ich ihm erklärt hatte, wo er war und dass er eine Weile bei uns bleiben müsse, hat er sich auf der Intensivstation umgesehen und gemeint, wenn ich wolle, dass er hierbleibe, müsse ich aber ein paar Vorhänge und bunte Kissen besorgen. Außerdem hat er angeregt, ich solle mir einen vorteilhafteren Haarschnitt zulegen und darüber nachdenken, ein wenig Make-up zu tragen.«
»Das ist eindeutig Damon, wie ich ihn kenne und liebe«, kicherte ich. Vor Erleichterung war mir beinahe schwindlig.
Alice’ Miene wurde wieder ernst. »Er hat auch nach Ihnen gefragt«, sagte sie. »Sie wissen ja wahrscheinlich, dass er zu Ihnen unterwegs war, als sein Flugzeug abgestürzt ist.«
Verblüfft starrte ich sie an. Denn in meiner Aufregung hatte ich bis zu diesem Moment überhaupt nicht darüber nachgedacht, warum Damon an Bord eines Inlandsflugs nach Newport, Rhode Island, gewesen war. Vor allem, weil er das Fliegen hasst.
»Hat Damon gesagt, warum er zu mir wollte?«, fragte ich und erinnerte mich bekümmert an unser letztes, stürmisches Telefongespräch und daran, wie ich ihn über das Handy angebrüllt hatte. Ich war mir fast sicher gewesen, dass er meinen letzten dummen Vorwurf, er habe Bobby immer gehasst, nicht mehr gehört hatte. Aber da musste ich mich geirrt haben.
Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Davon hat er nichts erwähnt«, gab sie zurück. »Er hat nur immer wieder gesagt, es sei extrem wichtig, dass er sofort mit Ihnen spricht. Dann hat er das Bewusstsein verloren, bevor er irgendwelche Angaben über seine nächsten Verwandten machen konnte. Deswegen habe ich in den Aufnahmeformularen Sie als die Person eingetragen, die benachrichtigt werden sollte.«
Ich spürte, wie mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich konnte mir nur eine Erklärung dafür denken, dass Damon geflogen war: Er musste beschlossen haben, zu mir zu kommen, um sich von Angesicht zu Angesicht mit mir zu versöhnen. »Wir hatten uns gestritten«, flüsterte ich. »Wenn ich nicht so schreckliche Dinge zu ihm gesagt hätte, wäre er nie in diese Maschine gestiegen.«
Dan drückte meine Schulter. »Du weißt doch gar nicht, warum er in diesem Flugzeug gesessen hat«, sagte er. »Du darfst dir nicht die Schuld geben.«
»Sehen Sie sich mal um«, warf Alice ein. Mit einer ausholenden Handbewegung umfasste sie die Menge Menschen - Besucher mit ernsten Mienen und Krankenhauspersonal -, die verstreut an den Tischen der weitläufigen Krankenhaus-Cafeteria saßen. »In dieser und jeder anderen Unfallklinik einer Großstadt bekommen Sie jeden Tag tausend Tragödien zu sehen, Susan.« Sie lächelte. »Das Leben ist nun mal gefährlich.«
19. Kapitel
»Was willst du jetzt machen?« Dan warf mir einen langen, fragenden Blick zu. Wir saßen in seinem Mercedes. Ein eiskalter Nieselregen hatte eingesetzt. Ich blickte auf die Lichtkreise, die sich durch die nasse Luft rund um die orangefarbenen Scheinwerfer bildeten, die jetzt überall auf dem Krankenhausparkplatz aufflammten.
Dan hatte den größten Teil des Tages auf mich
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