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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Listomère-Landon war eine von den schönen, alten Frauen mit blassem Gesicht, weißen Haaren und feinem Lächeln. Ihr Kleid und ihr Kopfputz gehörten einer langst vergessenen Mode an. Sie verkörperte mit ihren siebzig Jahren das Zeitalter Ludwigs XV.; diese Frauen sind fast immer so zärtlich, als seien sie noch verliebt; sie sind weniger gottergeben als fromm, aber doch nicht so fromm, als man meinen könnte, und sie haben immer einen Duft von Puder à la marechale an sich. Sie können gut Konversation treiben, noch besser plaudern, und lachen eher über eine Erinnerung als über einen Scherz. Die Gegenwart mißfällt solchen Frauen. Als eine alte Kammerfrau der Marquise (sie sollte bald wieder diesen Titel führen dürfen) den Besuch eines Neffen, den sie seit dem Beginn des Spanischen Krieges nicht gesehen hatte, meldete, nahm sie rasch ihre Brille ab, klappte ihr Lieblingsbuch, die ›Galerie de l'Ancienne Cour‹, zu und begab sich dann mit einer gewissen Behendigkeit auf die Freitreppe, deren Stufen die beiden Gatten eben herabstiegen.
    Die Tante und die Nichte warfen sich einen raschen Blick zu. »Bonjour, liebe Tante«, rief der Oberst, indem er die alte Dame hastig umarmte; »ich bringe Ihnen meine junge Frau, daß Sie sie in Schutz nehmen. Ich vertraue Ihnen meinen Schatz an. Meine Julie ist weder kokett noch eifersüchtig, sie ist sanft wie ein Engel. Und ich hoffe, sie wird hier nicht schlimmer werden«, unterbrach er sich. »Taugenichts!« sagte die alte Tante und warf ihm einen spöttischen Blick zu.
    Sie kam mit liebenswürdiger Anmut auf Julie zu, die in Gedanken versunken und eher verlegen als neugierig dastand, und wollte sie als erste umarmen.
    »Wollen wir miteinander Bekanntschaft schließen, liebes Herz?« fragte die Marquise. »Fürchten Sie sich nicht zu sehr vor mir, ich bemühe mich stets, bei jungen Leuten nicht zu alt zu erscheinen.«
    Bevor man sich in den Salon begab, hatte die Marquise für die beiden Gäste, wie es in der Provinz Sitte war, schon ein Frühstück angeordnet; aber der Comte tat der Beredsamkeit seiner Tante Einhalt, indem er in ernsthaftem Ton versicherte, daß er ihr nicht mehr Zeit schenken könne, als die Post zum Pferdewechseln brauche. Die drei betraten also eilig den Salon, und der Oberst konnte seiner Großtante nur knapp die politischen und militärischen Ereignisse schildern, die ihn nötigten, sie um ein Asyl für seine junge Frau zu bitten. Während dieser Erzählung blickte die Tante bald auf ihren Neffen, der ununterbrochen redete, bald auf die Nichte, deren Blässe und Traurigkeit sie dieser gewaltsamen Trennung zuschrieb. Sie machte eine Miene, als sagte sie sich: ›Ja ja, diese jungen Leute haben sich lieb.‹
    In diesem Augenblick vernahm man in dem alten, stillen Hof, wo die Grasbüschel um die Pflastersteine herumwuchsen, das Knallen der Peitsche. Victor küßte die Marquise noch einmal und eilte hinaus. »Leb wohl, meine Liebe!« sagte er zu seiner Frau, die ihm bis an den Wagen gefolgt war, und schloß sie in die Arme. »Ach Victor, laß mich dich noch weiter begleiten«, bat sie mit schmeichelnder Stimme, »ich möchte bei dir bleiben ...« – »Was fällt dir ein?« – »Nun denn, leb wohl, da du es willst«, erwiderte Julie. Der Wagen fuhr davon. »Sie lieben meinen guten Victor wohl sehr?« fragte die Marquise ihre Nichte mit einem jener wissenden Blicke, wie sie die alten Frauen für die jungen haben. »Mein Gott, Madame«, antwortete Julie, »man muß doch wohl einen Mann lieben, wenn man ihn heiratet?« Dieser letzte Satz wurde in einem kindlichen Ton hervorgebracht, der von Herzensreinheit zeugte und auch auf etwas Verschwiegenes deuten konnte. Nun war es für eine Freundin von Duclos und dem Marschall Richelieu schwer, nicht zu versuchen, das Geheimnis dieser jungen Ehe zu ergründen. Die Tante und die Nichte befanden sich auf der Schwelle des Einfahrtstores und sahen dem davonrollenden Wagen nach. Die Augen der Comtesse drückten nicht die Liebe aus, wie sie die Marquise verstand. Die gute Dame war Provenzalin, und ihre Liebe war einst voller Glut gewesen.
    »Sie haben sich also von meinem Taugenichts von Neffen betören lassen?« fragte sie ihre Nichte.
    Die Comtesse zuckte unwillkürlich zusammen, denn Ton und Blick dieser in Liebesangelegenheiten erfahrenen Frau schienen eine tiefere Kenntnis von Victors Charakter zu verraten, als sie vielleicht selber hatte. Madame d'Aiglemont nahm beunruhigt also zu einer ungeschickten

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