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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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starrte die Marquise auf die Waffe. Lord Grenville hob die Pistole auf und schien äußerst verdrossen über einen Zwischenfall, der als Spekulation eines Verliebten gelten konnte. »Arthur!« rief Julie. »Madame«, erwiderte er und schlug die Augen nieder, »ich war voller Verzweiflung hergekommen, ich wollte...« Er stockte. »Sie wollten sich bei mir töten?« rief sie. »Nicht mich allein«, sagte er mit sanfter Stimme. »Wie denn! Meinen Mann vielleicht?« – »Nein, nein«, rief er mit erstickter Stimme; »aber beruhigen Sie sich, ich habe mein unseliges Vorhaben aufgegeben. Als ich hier eintrat, als ich Sie sah, fühlte ich den Mut, zu schweigen und allein zu sterben.« Julie sprang auf, warf sich Arthur in die Arme, und dieser konnte unter dem Schluchzen seiner Geliebten deutlich die leidenschaftlichen Worte heraushören: »Das Glück kennenlernen und sterben ... ja!«
    Die ganze Lebensgeschichte Julies lag in diesem tiefen Aufschrei; es war der Schrei der Natur und der Liebe, zweier Mächte, denen die Frauen, die keine Religion haben, leicht erliegen. Arthur nahm sie mit dem ganzen Ungestüm, den ein unverhofftes Glück verleiht, in seine Arme und trug sie auf das Sofa. Aber unversehens entriß sich die Marquise den Armen ihres Geliebten, sah ihn mit dem starren Blick einer verzweifelten Frau an, nahm ihn bei der Hand, ergriff einen Leuchter und zog ihn mit sich fort in ihr Schlafzimmer. Als sie vor dem Bett standen, in dem Hélène schlief, schob sie sacht die Vorhänge zurück, so daß man das Kind sehen konnte, und hielt die eine Hand schützend vor die Kerze, damit die Helligkeit die zarten, kaum geschlossenen Augen des kleinen Mädchens nicht blendete. Hélène hatte die Arme ausgebreitet und lächelte im Schlaf. Julie zeigte Lord Grenville mit einem Blick ihr Kind. Dieser Blick sagte alles.
    »Einen Mann kann man verlassen, auch wenn er uns liebt. Ein Mann ist für sich selbst stark genug, er findet Ersatz. Man kann die Gesetze der Welt mißachten. Aber ein Kind ohne Mutter!« Alle diese Gedanken und tausend andere noch ergreifendere lagen in diesem Blick. »Wir können es mitnehmen«, murmelte der Engländer; »ich werde es sehr liebhaben ...« – »Mama!« sagte Hélène, die wach wurde. Bei diesem Wort brach Julie in Tränen aus. Lord Grenville setzte sich und blieb so mit gekreuzten Armen, stumm und finster. »Mama!«
    Dieser reizende, unschuldige Anruf weckte so viel edle Gefühle, so viel unwiderstehliches Mitgefühl, daß die Liebe für einen Augenblick von der machtvollen Stimme des Muttergefühls verdrängt wurde. Julie war nicht mehr Weib, sie war Mutter. Lord Grenville widerstand nicht lange, Julies Tränen bezwangen ihn. In diesem Augenblick hörte man, wie eine Tür heftig aufgerissen wurde, und die Worte: »Julie d'Aiglemont, bist du hier?« hallten wie ein Donnerschlag in den Herzen der Liebenden. Der Marquis war zurückgekehrt. Bevor Julie ihre Fassung wiedergewonnen hatte, kam der General aus seinem Zimmer in das seiner Frau. Die beiden Zimmer lagen nebeneinander. Glücklicherweise hatte Julie Lord Grenville einen Wink gegeben, und dieser stürzte in ein Ankleidezimmer, und Julie schlug hastig die Tür zu.
    »Nun, meine Liebe, hier bin ich wieder«, sagte Victor; »die Jagd hat nicht stattgefunden. Ich werde zu Bett gehen.« ––»Gute Nacht«, antwortete sie, »das will ich auch. Also erlauben Sie, daß ich mich ausziehe.« – »Sie sind sehr ungnädig heute abend. Ich gehorche Ihnen, Madame.«
    Der General ging wieder in sein Zimmer, Julie begleitete ihn, um die Verbindungstür zu schließen, und lief in das Seitenkabinett, um Lord Grenville zu befreien. Sie fand ihre ganze Geistesgegenwart wieder und dachte, der Besuch ihres ehemaligen Arztes sei sehr natürlich; sie konnte ihn im Salon zurückgelassen haben, um ihre Tochter zu Bett zu bringen, und wollte ihm sagen, daß er, ohne Geräusch zu machen, wieder dahin gehen solle. Aber als sie die Tür des Kabinetts öffnete, stieß sie einen gellenden Schrei aus. Die Finger Lord Grenvilles waren zwischen der Tür eingeklemmt und zerquetscht worden. »Was hast du denn?« fragte ihr Mann. »Nichts, nichts«, antwortete sie, »ich habe mich mit einer Stecknadel in den Finger gestochen.« Die Verbindungstür ging wieder auf. Die Marquise glaubte, ihr Mann käme aus Interesse für sie, und verwünschte diese Besorgnis, an der das Herz nicht teilhatte. Sie hatte kaum Zeit, die Tür zum Ankleidezimmer zu schließen, und Lord Grenville

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