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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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mit einer Gebärde, einem Lächeln und einem Blick, die echt pariserisch waren, auf eine Frau, die am Kamin saß.
    »Wer ist das?« fragte der Comte de Vandenesse lebhaft. »Eine Frau, über die Sie sich gewiß mehr als einmal unterhalten haben, um sie zu rühmen oder zu lästern; eine Frau, die ein einsames Leben führt und die wahrhaft geheimnisvoll ist.« – »Wenn Sie je im Leben gnädig gewesen sind, nennen Sie mir ihren Namen!« – »Die Marquise d'Aiglemont.« – »Ich will Unterricht bei ihr nehmen: sie hat aus einem sehr mittelmäßigen Mann einen Pair von Frankreich, aus einer Null einen Mann von politischer Bedeutung zu machen verstanden. Aber sagen Sie mir, glauben Sie, daß Lord Grenville für sie gestorben ist? Einige Frauen behaupten es.« – »Vielleicht. Seit diesem Erlebnis, wenn es eins war, hat sich die arme Frau sehr verändert. Sie ist nicht in Gesellschaft gegangen. Das will in Paris etwas heißen, eine vierjährige Treue. Sie sehen sie hier nur...«
    Madame Firmiani unterbrach sich und fügte dann feinsinnig hinzu: »Ich vergaß, daß ich schweigen muß. Plaudern Sie mit ihr!«
    Charles blieb für einen Augenblick unbeweglich; er lehnte sich leicht an den Türrahmen und ganz in Betrachtung der Frau vertieft, die berühmt geworden war, ohne daß jemand hätte sagen können, worauf sich diese Berühmtheit gründete. Es gibt viele solche Seltsamkeiten in der Welt. Der Ruf von Madame d'Aiglemont war sicherlich nicht ungewöhnlicher als der mancher Männer, die immer mit einer unbekannten Arbeit beschäftigt sind: Statistiker, die auf Grund von Berechnungen, die sie sich hüten je zu veröffentlichen, für grundgelehrt gehalten werden; Politiker, die von einem Zeitungsartikel zehren; Schriftsteller oder Künstler, deren Werk immer in der Mappe bleibt; Gelehrte in den Augen derer, die nichts von der Wissenschaft verstehen, wie Sganarelle bei solchen, die nicht Lateinisch können, ein großer Latinist ist; Männer, denen man in einem bestimmten Punkt eine ausgemachte Fähigkeit zubilligt, etwa eine führende Rolle in der Kunst oder eine wichtige Mission. Das wunderbare Wort: ›Das ist seine Spezialität‹ scheint für diese Art politischer oder literarischer Abnormitäten geschaffen worden zu sein. Charles blieb länger in Betrachtung versunken, als er wollte; er war unzufrieden, daß ihn eine Frau so stark beschäftigen konnte; aber die Anwesenheit dieser Frau widerlegte auch die Gedanken, die der junge Mann bei der Betrachtung der Ballgesellschaft einen Augenblick vorher gehabt hatte.
    Die Marquise, die jetzt dreißig Jahre zählte, war schön, obwohl ihre Gestalt sehr schlank und überaus zart war. Ihr größter Zauber lag auf dem Antlitz, dessen Ruhe von einer wunderbaren Seelentiefe sprach. Ihre Augen, die strahlend waren und doch von einem ständigen Gedanken wie verschleiert schienen, verrieten ein fieberhaftes Leben und die stärkste Entsagung. Ihre Lider, die fast immer keusch zur Erde gesenkt waren, hoben sich selten. Sah sie einmal um sich, so war es eine Regung der Trauer; man konnte den Eindruck haben, sie bewahre das Feuer ihrer Blicke für geheime Betrachtungen. So kam es, daß sich jeder bedeutende Mann zu dieser stillen, sanften Frau seltsam hingezogen fühlte. Der Verstand suchte die Geheimnisse des fortwährenden Rückzugs dieser Frau aus der Gegenwart in die Vergangenheit, aus der Gesellschaft in ihre Einsamkeit zu ergründen, und die Seele war nicht minder begierig, die Geheimnisse eines Herzens aufzuspüren, das sich mit seinen Leiden zu brüsten schien. Und nichts an ihr strafte die Eindrücke, die sie zuerst hervorrief, Lügen. Wie fast alle Frauen mit üppigem Haarwuchs, war sie blaß und hatte einen überaus reinen und zarten Teint, der – das Symptom trügt selten – eine echte Empfindsamkeit anzeigte. Davon sprachen auch ihre Züge, die ganz die zauberhafte Vollendung hatten, die die chinesischen Maler ihren phantastischen Frauengesichtern geben. Ihr Hals war vielleicht etwas lang; aber ein solcher Hals ist besonders grazil und verleiht dem weiblichen Kopf eine gewisse Ähnlichkeit mit den magischen Bewegungen der Schlange. Gäbe es kein einziges der tausend Anzeichen, in denen sich dem Beobachter die verborgensten Naturen offenbaren, so könnte es ihm genügen, die mannigfachen Bewegungen des Kopfes und die Wendungen des Halses, die so überaus ausdrucksvoll sind, zu studieren, um eine Frau zu beurteilen. Bei der Marquise d'Aiglemont stand die äußere Erscheinung

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