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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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unbeweglich, in Gedanken versunken, einen Ellbogen auf den Tisch und den Kopf auf die Hand gestützt, da und wühlte mit den weißen Fingern in seinem braunen Haar. Das Licht fiel hell auf sein Gesicht, sein übriger Körper blieb im Dunkel, so glich er jenen dunklen Porträts, auf denen Raffael sich selbst, aufmerksam, leicht nach vorn geneigt, in die Zukunft sinnend, gemalt hat. Zwischen diesem Tisch und der Marquise saß ein großes, schönes, junges Mädchen und arbeitete an einem Stickrahmen, über den es abwechselnd seinen Kopf hob und senkte, so daß auf dem kunstvoll glattgekämmten, tiefschwarzen Haar die Reflexe des Lichtes spielten. Schon allein Hélène war ein Schauspiel. Ihre Schönheit zeichnete sich durch die seltene Vereinigung von Kraft und Zierlichkeit aus. Obwohl ihre Haare, zum Kranz hochgesteckt, die lebendigen Züge ihres Gesichts hervorhoben, war ihre Flut so mächtig, daß sie dem Kamm entquollen und sich widerspenstig im Nacken ringelten. Ihre sehr dichten, schön geschwungenen Brauen hoben sich von ihrer reinen weißen Stirn ab. Selbst auf der Oberlippe, unter einer griechischen Nase, deren Linien vollendet waren, wies ein schwarzer Hauch auf einen entschiedenen Charakter hin. Aber die bezaubernde Rundung der Formen, der offenherzige Ausdruck in ihren sonstigen Zügen, die feine durchsichtige Haut, die weichen, sinnlichen Lippen, das vollkommene Oval ihres Gesichts und besonders ihr verklärter, unschuldiger Blick, das alles verlieh dieser kraftvollen Schönheit die weibliche Anmut, die betörende Sittsamkeit, die wir bei diesen Engeln des Friedens und der Liebe zu finden wünschen. Gebrechliches freilich war nichts an diesem jungen Mädchen, und ihr Herz mußte so zart, ihre Seele so stark sein, wie ihre Formen prachtvoll und ihr Antlitz liebreizend waren. Sie schwieg still wie ihr Bruder, der Gymnasiast, und schien sich einer der mädchenhaften Betrachtungen des menschlichen Geschicks zu überlassen, die sich oft dem prüfenden Auge eines Vaters und sogar dem Scharfblick der Mütter entziehen; und so war es unmöglich zu entscheiden, ob die eigenwilligen Schatten auf ihrem Gesicht, die wie leichtes Gewölk an einem klaren Himmel kamen und gingen, dem Spiel des Lichts oder geheimem Kummer zuzuschreiben waren.
    Die beiden Ältesten waren in diesem Augenblick von den Eltern völlig vergessen. Mehrmals jedoch hatte der forschende Blick des Generals die stumme Szene gestreift, die im Hintergrund des Zimmers die Hoffnungen, wie sie sich in dem kindlichen Treiben im Vordergrund dieses Familienbildes ausdrückten, in lieblicher Erfüllung zu zeigen schienen. Wenn man das menschliche Leben als Abfolge unmerklicher Stufen erklären wollte, dann fügten sich diese Gestalten wie zu einem lebendigen Gedicht zusammen. Der Luxus aller Kleinigkeiten, die den Salon schmückten, die Verschiedenart der Haltungen, die Gegensätze der ganz verschiedenfarbigen Gewänder, die Kontraste der Gesichter, hervorgerufen durch das unterschiedliche Alter und durch die vom Licht betonten Konturen, entfalteten auf diesen Seiten aus dem Buch des menschlichen Lebens ihre reiche Mannigfaltigkeit, die man von Bildhauern, Malern oder Schriftstellern verlangt. Schließlich verliehen die Stille und der Winter, die Einsamkeit und die Nacht diesem reinen, erhabenen Bild ihre Hoheit – ein Wunderwerk der Natur. Das eheliche Leben hat viele solche heilige Stunden, deren unbeschreiblicher Reiz vielleicht der Erinnerung an eine bessere Welt entstammt. Gewiß fallen himmlische Strahlen auf diese Szenen, die dazu dienen, dem Menschen einen Teil seiner Kümmernisse aufzuwiegen, ihm das Dasein erträglich zu machen. Es scheint, als läge das ganze Universum in einer verführerischen Gestalt vor uns, als entrolle es seine gewaltigen Pläne sozialer Ordnung, als träte das gesellschaftliche Leben für seine Gesetze ein, indem es uns ein Bild der Zukunft zeigte.
    Trotz des gerührten Blicks aber, den Hélène auf Abel und Moina warf, sooft ihr Lachen wieder einmal losbrach; trotz des Glücks, das auf ihrem Gesicht leuchtete, wenn sie ihren Vater verstohlen ansah, drückte sich in ihren Gebärden, ihrer Haltung und vor allem in ihren Augen, die von langen Wimpern verschleiert wurden, eine tiefe Schwermut aus. Ihre weißen kräftigen Hände, denen das Licht, das darüber hinglitt, eine durchsichtige, fast fließende Röte verlieh, nun ja, diese Hände zitterten. Ein einziges Mal trafen sich die Blicke Hélènes und der Marquise, ohne sich

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