Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)
übertönt seine Stimme oft das Heulen des Sturmes oder das Gewühl der Kämpfe, aber hier ist sie sanft und melodisch wie die Musik von Rossini, dessen Werke bis zu mir gelangen. Alles, was die Phantasie einer Frau ersinnen kann, wird mir zuteil. Oft werden meine Wünsche noch übertroffen. Kurz, ich herrsche auf dem Meere, und man gehorcht mir wie einer Fürstin ... Glücklich!« unterbrach sie sich, »glücklich ist kein Wort, die Seligkeit auszudrücken, die mich erfüllt. Mein Los steht über dem aller Frauen. Demjenigen, den man liebt, in grenzenloser Hingebung zugetan sein und von ihm ein unendliches Gefühl zu empfangen, in welchem die Seele einer Frau sich verliert, und dies unabänderlich und für immer! – sagen Sie, ist dies Glück? Ich habe schon tausend Leben gelebt. Hier bin ich allein, hier befehle ich. Nie hat ein Wesen meines Geschlechts den Fuß auf dieses herrliche Schiff gesetzt, wo Victor immer in meiner Nähe ist. Er kann ohne mich nicht weiter gehen als vom Bug bis zum Heck«, sagte sie schelmisch. »Sieben Jahre! Eine Liebe, die sieben Jahre diese immerwährende Freude, diese stündliche Erprobung überdauert, ist das Liebe? Nein, o nein! Es ist besser als alles, was ich vom Leben kenne ... Die menschliche Sprache versagt, um ein so himmlisches Glück zum Ausdruck zu bringen.«
Ein Tränenstrom stürzte aus ihren heißen Augen. Die vier Kinder stießen einen klagenden Schrei aus, kamen wie die Küchlein zu ihrer Mutter herbeigelaufen, und der Älteste versetzte dem General mit drohender Miene einen Schlag. »Abel, mein Liebling«, sagte sie, »ich weine vor Freude!« Sie zog ihn auf ihre Knie; das Kind schlang zärtlich seine Arme um den stolzen Hals Hélènes, wie ein junger Löwe, der mit seiner Mutter spielen will. »Hast du niemals Langeweile?« fragte der General, den die Begeisterung seiner Tochter verwirrt hatte. »O ja, wenn wir manchmal an Land sind; und auch da verlasse ich meinen Mann nie.« – »Du liebtest früher Feste, Bälle, Musik?« – »Meine Musik ist seine Stimme; meine Feste, das sind die Gewänder und der Putz, den ich für ihn erfinde. Wenn ihm meine Toilette gefällt, ist es dann nicht so, als ob die ganze Welt mich bewunderte? Dies ist der einzige Grund, warum ich diese Diamanten, diese Halsbänder, diese funkelnden Diademe, diese Kleinode, diese Blumen und Kunstwerke, mit denen er mich überhäuft, nicht ins Meer werfe; er sagt: ›Hélène, wenn du auch nicht in die Welt kommst, so will ich doch, daß die Welt zu dir kommt.‹« – »Aber auf diesem Schiff sind Männer, verwegene, schreckliche Männer, deren Leidenschaften ...« – »Ich verstehe Sie, Vater«, beschwichtigte sie lächelnd; »seien Sie ohne Sorge! Keine Kaiserin ist je mit mehr Ehrerbietung behandelt worden als ich. Diese Leute sind abergläubisch. Sie glauben, daß ich der Schutzengel dieses Schiffes, ihrer Unternehmungen und Erfolge bin. Aber ›er‹ ist ihr Gott! Eines Tages, ein einziges Mal, hat es ein Matrose an Achtung gegen mich fehlen lassen ... in Worten bloß«, fügte sie lachend hinzu. »Bevor Victor es erfahren konnte und obwohl ich dem Manne meine Verzeihung schenkte, warfen ihn die Leute der Mannschaft ins Meer. Sie lieben mich wie ihren guten Engel. Ich pflege sie bei ihren Krankheiten und habe schon das Glück gehabt, manchen dadurch, daß ich mit weiblicher Beharrlichkeit bei ihm wachte, vom Tode zu erretten. Die armen Burschen sind zugleich Riesen und Kinder.« – »Und wenn Kämpfe stattfinden?« – »Ich bin daran gewöhnt«, antwortete sie; »ich habe nur beim erstenmal gezittert... Jetzt ist meine Seele mit dieser Gefahr vertraut, ja, ich liebe sie sogar, ich bin Ihre Tochter.« – »Und wenn er umkäme?« – »So würde ich ihm in den Tod folgen.« – »Und deine Kinder?« – »Sie sind die Söhne des Meeres und der Gefahr, sie teilen das Leben ihrer Eltern ... Unsere Existenz ist die gleiche und läßt sich nicht scheiden. Wir leben alle von dem gleichen Pulsschlag, sind alle auf derselben Seite des Lebensbuches eingetragen; ein und derselbe Nachen trägt uns, wir wissen es.« – »Du liebst ihn also so sehr, daß er dir höher gilt als alles?« – »Als alles!« wiederholte sie; »aber suchen wir nicht dieses Geheimnis zu ergründen. Sehen Sie! Dieser Knabe, das ist auch wieder er!« Sie preßte Abel mit außergewöhnlicher Kraft an sich und drückte flammende Küsse auf seine Wangen und Haare... Der General rief aus: »Aber ich kann nicht vergessen,
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