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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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sinnlos gewesen sein sollte, was ich mir
beim besten Willen nicht vorstellen kann, dann verbuchen wir den Flug einfach
als unser größtes privates Abenteuer und nichts weiter. Kann ich dich
vielleicht für die Variante begeistern, zumindest vorübergehend?«
    »Ich werde einmal darüber schlafen und gebe dir morgen
Bescheid.« Karen lächelte müde.
    »Gute Nacht.« Lamin schlich zur Kabinentür.
    »Und sag unserem Marco Polo, er soll nicht wieder so rasen,
bei der Dunkelheit!«
    »Geht klar.« Die Tür hatte er schon beinahe hinter sich geschlossen.
    »Da ist noch was!«
    »Bitte.« Lamin steckte seinen Kopf noch einmal herein.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir schon dafür gedankt habe, für das,
was du für mich getan hast in einer Zeit, … in der ich nicht ich selbst war.«
    Lamin zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich möchte das nun nachholen. Danke,
Lamin.«
    Houston,
Dezember 2068
    Seriös und kompetent sah sie aus in
ihrem dunkelgrauen Kostüm, als sie zur Anhörung in den Gerichtssaal kam. Nichts
deutete darauf hin, dass sie erst drei Monate zuvor von ihrem physisch anstrengenden
und psychisch grenzwertigen Marsflug zurückgekehrt war. Die Öffentlichkeit
wusste nur, dass sie aus Krankheitsgründen nicht die erste auf dem Mars gewesen
war und damit schlug ihr von allen Seiten nichts als blanke Sympathie entgegen.
Was die Öffentlichkeit allerdings nicht einmal andeutungsweise wusste, war,
dass es eine Anhörung der Kommandantin von Mars One gab, und das in einer
Angelegenheit, die mit dem Mars ebenso wenig zu tun hatte wie mit Karen. Aus
welchem Hut die Kläger die fragwürdigen Anschuldigungen, die in ihrer Anklageschrift
standen, gezaubert hatten, konnte sie sich bei all ihrer Fantasie nicht
vorstellen. Ruhig und gelassen sah sie den kommenden Stunden entgegen. Was
konnte ihr noch groß passieren? Auf dem Mars war sie bereits gewesen, und auch
als erste dort ausgestiegen, auch wenn vor der Weltöffentlichkeit das Ereignis in
dieser Form nie stattgefunden hatte. Sie konnte sich auch beim besten Willen
nicht vorstellen, warum und wofür man sie verurteilen sollte. Abgesehen davon jagte
ihr der Tod keine Schrecken mehr ein. Sie war auf ihrer Mission bereits gestorben,
hatte Dinge erlebt und Situationen durchgemacht, im Vergleich zu denen sie sich
den Tod wie einen liebevollen Freund vorstellte, der mit ihr durch jene Tür in eine
Welt treten würde, aus der sie dereinst gekommen war. – Eine Welt, in der sie
daheim war.
    Als sie neben ihrem Verteidiger, Jason Freeman, Platz genommen
hatte, versuchte sie ihre Unschuld noch durch ein unaufdringliches Schmunzeln zu
untermauern.
    »Ms McDonnel«, begann Javier Rodriguez, der Staatsanwalt, »dem
Gericht wurden knapp vor ihrer Landung auf dem Mars Informationen zugespielt, laut
derer Sie für den Tod von Nicole Moore, Technikerin auf der Tsiolkovski-Mond-Basis,
verantwortlich sein sollen.«
    Karens Rouge wurde von einer ungesunden Blässe unterlaufen.
Sogar das Rot ihrer dezent geschminkten Lippen schien von einer Übermacht
weißer Blutkörperchen neutralisiert worden zu sein.
    »Wir werden uns hier gemeinsam mit Ihnen die Aufzeichnung
anhören«, sagte Laura Lockup, die Richterin, eine etwas über den Sessel des
ehrenwerten Gerichts hinausquellende Person, mit flächigem Gesicht und
doppeltem Kinn, »die die Grundlage dieser Anschuldigung darstellt. Anschließend
hat die Verteidigung das Wort.«
    »Jetzt bin ich aber gespannt«, hauchte Karen ihrem
Verteidiger ins Ohr.
    Dieser nickte kaum merklich.
    Die wenigen Anwesenden im Saal, die ausschließlich, allerdings
mit uneingeschränkter Begeisterung, ihrem Jusstudium frönten, verstummten und vergaßen
für ein paar Momente auch auf ihren Sesseln und Bänken hin- und herzurutschen,
als hätte es das alterschwache Gerichtssaalinventar gar nicht mehr nötig, auf
Hochglanz poliert zu werden.
    Wie ein Messer schnitt ihr die Stimme aus der Aufzeichnung durch
ihre Eingeweide. Es war die von Shannon Parker, daran bestand für sie kein
Zweifel. Dafür benötigte sie weder ein Gutachten noch einen Sachverständigen.
Doch wer sprach mit ihr? Es war ein Mitschnitt eines Gespräches knapp vor
Fertigstellung der Basis, einen Tag vor Nicoles Tod, um präzise zu sein. Irgendwie
erinnerte Karen das Gespräch an jenes, das sie mit Shannon via Telekonferenz geführt
hatte, als diese sie damals völlig fertig von Tsiolkovsky aus kontaktierte, um
sie um einen Gefallen zu bitten. Ohne auch nur eine Sekunde darüber ernsthaft
nachzudenken,

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