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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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nutzen und durch eine Rotation um den gemeinsamen Schwerpunkt
eine künstliche Gravitation schaffen. Diese entsprach zwar nicht einmal einem
Drittel der Erdgravitation, war aber doch besser als nichts.«
    »Danke für die verständliche Erläuterung. Und das meine ich
wirklich ernst. Sie müssen wissen, ich habe mich während meiner bisherigen
journalistischen Laufbahn nahezu ausschließlich mit politischen und
wirtschaftlichen Themen beschäftigt«, sagte Robert.
    Verdutzt sah ihm der Alte in
die Augen, sagte jedoch nichts.

16
    Privates
Logbuch, Dr. Lamin Berger
    Heute ist der zweiunddreißigste
Tag, seit wir auf dem Mars gelandet sind. Vor wenigen Stunden haben wir mit der
›Blue Planet‹, wie wir unser ERV genannt haben, den Marsorbit verlassen und
sind nun auf Heimatkurs. Es geschah ungefähr zwei Stunden nach Verlassen der
Marsumlaufbahn, dass sich das Verhalten von Patientin K. schlagartig veränderte,
respektive besserte. Sie war imstande, mehrere zusammenhängende Sätze zu
artikulieren, und verlangte nach etwas ›Brauchbarem‹ zu Essen. Ich muss nun
behutsam vorgehen. Habe in den letzten Wochen schon einiges an Fachliteratur
durchstöbert. Werde noch versuchen, möglichst ohne das Wissen von Mission
Control, Ratschläge von einer Freundin, ihrerseits Expertin für Depressionen
und Traumata, zu bekommen. Ich habe ein Ziel für den Zeitpunkt, wenn wir wieder
auf der Erde aufsetzen, doch ich wage es nicht, dieses hier und heute in Worte
zu fassen und niederzuschreiben …
    Blue
Planet , 2068
    »Kann mir vielleicht jemand diese
verdammte Jacke abnehmen«, sagte Karen und war sich bei dem Blick in die
umstehenden Gesichter nicht sicher, ob sie es nicht auf Suaheli gesagt hatte.
    Nancy, Andy, Jacqueline und Catherine sahen mit einer
Mischung aus Neugier und Spannung zu Lamin. Dieser tänzelte durch die winzige
Kammer, wusste spontan auch nicht, was nun am Vernünftigsten zu tun sei. Er besah
sich Karens Füße und ihre Beine, die seit beinahe zwei Wochen nicht mehr mit
den Manschetten an der Koje fixiert waren. Sehr zur Beruhigung des Arztes und
zur Freude des Kollegen, konnte er aber keinerlei Verletzungen, zarte Abschürfungen
oder auch nur andeutungsweise Hämatome feststellen.
    Als Karen ein verhaltenes
Schmunzeln um seinen Mund bemerkte, richtete sie sich im Bett auf, kniete sich
mit dem Rücken zu ihm hin, sodass er ihre schwere Jacke öffnen konnte. »Danke«,
sagte sie und war dann doch etwas überrascht, dass Lamin sich gleich darauf
eingelassen hatte.
    Nur drei Tage später notierte
Karen ihren ersten Eintrag in ein persönliches Tagebuch. Dabei handelte es sich
nicht um ihre privaten Aufzeichnungen den Marsflug betreffend, schon gar nicht
um das offizielle Logbuch; hierbei handelte es sich – wie Lamins Freundin es
genannte hatte – um eine Verarbeitung des Erlebten, ein Artikulieren und
Niederschreiben von intimsten und persönlichsten Gefühlen, ein Reinigen des
Körpers von negativen Emotionen. Erst wollte es nicht so richtig gelingen, doch
bald schon häufte sich Eintrag auf Eintrag in der elektronischen Aufzeichnung,
die nicht immer nur aus ganzen Sätzen bestand und auch noch einen
überdurchschnittlich großen Anteil von jenem diffizilen Fachvokabular enthielt,
wie es in der Fäkalsprache, bei Beschimpfungen oder Flüchen generöse Verwendung
findet.
    Vier
Monate später
    Umberto machte seinen Job als
Teilzeitkommandant nicht nur ausgezeichnet, sondern auch noch mit Begeisterung;
bald würde der raumfahrende Marco Polo nach einer siegreichen Rückkehr auf seinem
Streitwagen durch die geschmückten Straßen Roms ziehen. Abgesehen davon hatte
es auf dem Flug bisher noch kein einziges Problem nennenswerter Größenordnung gegeben,
um das er sich hätte kümmern müssen, außer jenem, wie man die immer endloser
werdende Zeit verkürzen konnte. Doch dafür hatte sich, außer den üblichen Tätigkeiten
zum Zeitvertreib, einige Crewmitglieder sprachen bereits vom Totschlagen der Zeit,
noch keine praktikable Lösung gefunden.
    Lamin stand jeden Tag Karen für ein Gespräch zur Verfügung,
falls diese es wünschte. Und sie wünschte es. In den Wochen und Monaten, seit
sie den Marsorbit verlassen hatten, war Lamin mehr und mehr zu ihrem Vertrauten
geworden, der sich von einem Freund kaum noch unterschied. Lange und ausgedehnt
sprachen sie über sie selbst, ihre Gefühle, die so heftig hervorgebrochen
waren, sich Dank der winzigen liebevollen Geister, die den farbigen Pillen innewohnten,
bald in die

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