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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Prä-Raumfahrt-Ära anzusiedeln war, als die Affen noch auf den Bäumen, die
Menschen noch auf der Erde hockten und die Ideen zu Satellitenaufnahmen nur in
ein paar abartigen Gehirnen existierten. Ein schmutziges Grau, das sich wie ein
alles umhüllender Schleier um den dritten Planeten spannte, wäre angebrachter,
dachte Robert, als er die Frauen und Männer in ihren Overalls bei der Arbeit
beobachtete. Sein Blick blieb an den gefälligen Rundungen einer Frau im engen
Overall hängen, die ihn auf den ersten, und wie er etwas beängstigend
feststellte, auch auf den zweiten Blick an die Kellnerin aus der Lounge
erinnerte. Mit einer Kraft, als bestünde sein Körper aus reinem Eisen, wurde er
magnetisch zu ihr hingezogen. Sie stand auf einer Leiter und das Rund ihrer
Waden war mit dem seiner Augen auf gleicher Höhe.
    »Entschuldigung«, sagte er etwas unbeholfen, seinen Blick
nicht von ihren Beinen lassend, »bist du nicht Danielle, die Kellnerin vom
Schiff?«
    Sie wandte sich um, sah nach unten und bemerkte seinen
stierenden Blick. »Falls du mich meinst«, sagte sie, »ich bin hier oben.«
    Wie angewurzelt stand er da und hatte in der schwachen
Marsgravitation das Gefühl, über sich hinauszuwachsen. Langsam tastete er mit
seinem Blick ihre Beine entlang, passierte ihren Gürtel, ließ das Logo der
Marskolonie auf ihrer Brust links liegen und erreichte schließlich ihr Gesicht.
Fahl, durch die lang andauernde Reise in der Konservendose, dennoch ebenmäßig,
mit ihren warmen, lustigen Augen und den von Lachfältchen umspielten Mund stand
sie da, beide Arme hoch über ihrem Kopf, um eine Girlande an einer Strebe zu
befestigen. »Ich habe in der Lounge serviert, da erinnerst du dich richtig,
Robert.«
    »Ich hatte dich in den letzten Tagen vermisst, Danielle«, sagte
er so charmant, wie es nur ein Journalist konnte.
    »Danke.« Sie schmunzelte. »Bleibst du auch hier in der
Kolonie oder nimmst du das Schiff wieder zurück?«
    »Ich bleibe vorerst hier«, antwortete er zögerlich und
hoffte, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    »Dann werden wir uns ja in Zukunft öfter über den Weg laufen.«
    Robert strahlte über das ganze Gesicht, als hätte ihm sein
Boss soeben sein Gehalt verdoppelt. »Sehen wir uns heute Abend bei der Feier?«
    Sie zog eine Schnute und rollte mit ihren Augen. Eine Geste,
die Robert nicht zu deuten vermochte.
    »Was ist denn das für eine Frage? Typisch Journalist«,
feixte sie. »Das kannst du nicht leugnen.«
    Robert spürte, wie eine unangenehme Röte durch seine blasse
Gesichtshaut schien.
    »Natürlich sehen wir uns am Abend. Alles, was auf der
Station noch einigermaßen kriechen kann, wird auf den Beinen sein; also werde
ich auch da sein«, lachte sie ihn an.
    Nur mit dem Unterschied, dass
die restlichen vierhundertirgendwas Bewohner nicht auf so hübschen Beinen
wandeln, dachte er. »Ausgezeichnet! Dann bis später.« Er ging weiter in
Richtung des einzigen Cafés, das gleich nach den Doppelschotttüren in der
Nachbarkuppel untergebracht war. Seine Wangen glühten.
    Warum stündlich an diesem Nachmittag die Mitteilung
wiederholt wurde, wann und wo die Feier stattfand, konnte Robert nicht
ergründen. Die Kolonisten freuten sich schon seit Monaten darauf, die Gäste
waren nur zu diesem Zweck von der Erde angereist und Veranstaltungssaal in
angemessener Größe gab es nur einen – also warum so viel Lärm um Nichts?
Nichts, dachte Robert; war zwar kein Adjektiv, aber trotzdem das falsche Wort
und insgeheim kramte er in seinem journalistischem Archiv schon nach einer
Schlagzeile, mit der er die Berichterstattung über dieses Event übertiteln
konnte.
    Robert entschied, schon eine halbe Stunde früher
aufzukreuzen, um sich das teilnehmende Personal der Station etwas näher
anzusehen. Die geladenen Gäste und neu hinzugekommenen Auswanderer kannte er ja
bereits seit ungefähr acht Monaten, zumindest vom Sehen aus. Ehrlicherweise
hätte er sich eingestehen müssen, dass es nur eine einzige Person war, die er
auf gar keinen Fall in dem großen Getümmel verpassen wollte. Als Journalist konnte
er sich glücklich schätzen, denn es stand ihm einer der wenigen VIP-Plätze
gleich neben dem erhöhten Podium zu. Als er sich bis zu seinem Platz durchgekämpft
hatte, um ihn endlich einzunehmen, war die Menschenmenge allerdings schon
unüberschaubar groß. Reihe für Reihe suchte er die Personen ab, scannte mit geschultem
Blick die Profile von der Seite, das Haar von hinten, die Gesichter

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