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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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später hatte sie die Eingabe abgeschlossen und ließ
noch den automatischen Scan über die Konfigurationsdaten laufen. Als dieser
positiv verlaufen war, wandte sie sich der Tür zu. Plötzlich neigten sich die
Wände, begannen zu tanzen, stürzten auf sie ein. Die Umrisse der Tür verflossen.
Ihr Schädel schien durch den Raum zu kreisen und dabei in regelmäßigen
Abständen gegen ihr Gehirn zu schlagen. War es die Unmenge an Zahlen, die ihr den
Schwindel verursacht hatte, oder die bereits mehr als fünf Stunden, die sie
schon in ihrem Raumanzug steckte? Sie schwankte, als sie auf Rebecca, die ihren
Helm zur Tür hereinstreckte, zusteuerte.
    »Wie geht es denn voran«, fragte Shannon, die rhythmisch mit
ihrem Spielbein wippte, das einfach nicht zur Ruhe kommen wollte.
    »Wir haben fünf grün!«, sagte Christopher euphorisch. Es war
ein Spruch, den Nicole gerne verwendete, um zu signalisieren, dass alles wie
geplant lief, dass alle vier Anzeigen grün zeigten und ihr Gesicht ebenfalls.
    »Was soll das heißen?«, fragte Shannon.
    »Ich meine, die Konnektoren und die Verriegelungen zeigen viermal
Grün. Und die Überprüfung der Konfiguration für den Energietransfer sah auch
sehr gut aus. – Erstklassige Arbeit Nicole!«
    Nichts rührte sich.
    »Nicole? Nicole, Basis! Basis
an Nicole!«
    Ob Nicole diesen Funkspruch noch empfing, hatte sich nicht
mehr mit hundertprozentiger Sicherheit klären lassen. Darauf geantwortet hatte sie
jedenfalls nicht mehr.
    »Nicole! Nico! Nicooooo!«, brüllte Rebecca, ihre Stimme sich
schrill überschlagend.
    Hart schlug Nicole mit dem Visier ihres Helmes, nur einen
Meter vor Rebeccas Moonboots, im schwarzen Staub des Kraters auf. Ihr linkes
Bein war nicht mehr in der Lage gewesen, die Hürde der überdimensionalen
Türschwelle zu meistern.
    »Mierda! Cabrones! Könnt’ ihr uns den großen Rover schicken,
aber ›rápido‹!«, schrie Rebecca in ihrem Helm. Laut und stoßweise kam ihr Atmen
über den Funk. »Schnell, verdammt noch mal!« Doch statt einer Antwort hörte
sie, gleich einer gewaltigen Brandung, nur das Blut in ihren Ohren rauschen.
    »Den großen Rover …?«, sagte Shannon mehr zu sich selbst als
zu einem ihrer Mitarbeiter.
    »Erin, schnell!«, rief Martin, ohne auf eine Anweisung der
Kommandantin zu warten. »Schnell, schnell!« Beide sprinteten aus der Zentrale
zu ihren Raumanzügen, die gleich neben den Luftschleusen hingen, streiften sie
ohne die isolierende Unterwäsche anzulegen oder die vorgeschriebenen
Sicherheitschecks durchzuführen über, während Shannon aus emotionslosen Augen
in die Schwärze des Kraters starrte.
    Keine fünf Minuten später schloss sich das innere Schott der
Luftschleuse. »Emergency Deco«, rief Martin und noch im selben Augenblick
konnten sie fühlen, wie die Luft aus der Schleuse gesaugt wurde. Gleich darauf
öffnete sich das äußere Schott und Erin und Martin rannten zum Rover, so rasch
es ihre hüpfenden Bewegungen zuließen. Noch ehe Erin die Tür richtig geschlossen
hatte, drückte Martin die Steuerung nach vorne bis zum Anschlag. Langsam begann
die Elektronik, die Leistung an den Antriebsrädern hochzufahren. Eine Wolke aus
Staub stieg hinter dem Gefährt auf.
    Beinahe wäre Martin über sein Ziel hinausgeschossen, als er
das Vehikel zum Stehen brachte. Erin sprang aus der Kabine und sah zu Rebecca.
Diese kniete vor einer Gestalt, die gegen den rechten Vorderreifen des offenen Rovers
gelehnt lag.
    »Schnell, schnell, schnell!«, kam Martins Stimme über den offenen
Kommunikationskanal. Beide hielten auf Rebecca und Nicole zu.
    Rebecca rührte sich nicht. Drehte sich nicht um, sah nicht
zu den beiden auf.
    »Rebecca, was …«, stieß Erin hervor, ehe sie innehielt. Sie
brauchte ihre Frage nicht auszuformulieren, brauchte sich nicht den Kopf zu
zerbrechen, wie sie die Verletzte am sichersten im Rover fixierten, brauchte
nicht überlegen, wo sie ein paar Sekunden beim Rücktransport aufholen konnten,
brauchte nicht in Rebeccas Gesicht zu sehen, um zu wissen was geschehen war. Aus
der Haltung von Rebeccas Oberkörper, ihrem Kopf und ihren Armen konnte sie mehr
ablesen, als sie in diesem Moment wissen wollte.
    Endlose Minuten schienen nicht verstreichen zu wollen. Niemand
sagte etwas. Auch von der Basis kam kein Spruch. Vermutlich ahnte man auch dort
mittlerweile, was geschehen war.
    »Ich hab sie verloren«, sagte Rebecca mit einer Stimme, die mit
ihrer sonst so fröhlichen nichts gemein hatte. Zorn, Wut und Enttäuschung klangen
in

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